Was soll die Filmakademie Wien mit einer 100.000-Euro-Spende tun? Eine teure Filmkamera kaufen oder mit Stipendien Studierende unterstützen? Und wer entscheidet darüber?

Foto: Ewald Grabenbauer

Die Filmfirma Adi Mayer KG hat eine Werkliste, die bis in das Jahr 1923 zurückgeht. Seit langem ist sie vor allem auf Werbung spezialisiert. Für das Jahr 1977 werden zum Beispiel drei Titel genannt: Spots für das Motoröl Castrol GTX 2, für den Wettanbieter Sporttoto und für eine Biermarke der Firma Zipfer. 1977 ist deswegen von Interesse, weil der Geschäftsführer der Adi Mayer KG, Peter A. Mayer, damals seinen ersten Lehrauftrag an der Filmakademie in Wien bekam. 1986 folgte die Berufung auf eine ordentliche Professur für Produktion. 2017 starb Peter A. Mayer nach einem langen, erfolgreichen Leben, das ihm u. a. auch eine Romy und das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst eingebracht hatte.

Testamentarisch brachte er seine Verbundenheit mit der Filmakademie zum Ausdruck, die er einige Jahre lang auch geleitet hatte: Mayer vermachte der Institution 100.000 Euro. Vergangene Woche gab es Aufregung wegen dieses Legats, denn der Betrag war auf das Konto eines eigens gegründeten Vereins überwiesen worden – und nicht an die Universität für Musik und darstellende Kunst, zu der die Filmakademie als Institut für Film und Fernsehen gehört.

Stiftung oder Verein

Man kann das als "Ungereimtheiten" (so der Branchendienst Horizont) oder als Formfehler bezeichnen, oder darin einen Versuch sehen, die Universität zugunsten des Instituts zu umgehen. Claudia Walkensteiner-Preschl, zum fraglichen Zeitpunkt Institutsleiterin, hat die Vorgänge am Sonntag im Gespräch mit dem Standard noch einmal ausführlicher dargelegt:

"Wir haben das mit einigen Kolleginnen und Kollegen intern besprochen. Es gab die Überlegung einer Stiftung oder eines Vereins. Die Verwaltungskosten sind bei einem Verein insgesamt wesentlich geringer. Wir haben Statuten entwickelt, die dem Wunsch des Verstorbenen entsprochen haben: die Filmakademie und die Studierenden zu fördern. Dann haben wir mit der Studierendenvertretung Gespräche aufgenommen. Der Versuch, ein Gesamtpaket an Unterstützungsprogrammen zu schnüren, erwies sich dann aber als aufwendiger, als ich gedacht hatte. Wir sind nicht so schnell zu einem Ergebnis gekommen."

Erbschaft blieb liegen

So blieb die Erbschaft von Peter A. Mayer das ganze Jahr 2018 hindurch de facto liegen. Ironischerweise waren es die Praktiken des Erblassers selber, auf die sich die Institutsleitung bei ihrem Vor gehen beziehen konnte: Er hatte einen "Verein der Freunde der Filmakademie" gegründet und – zum Beispiel mit einer jährlichen Gala – regelmäßig zusätzliche Mittel für die Filmakademie lukriert. "Für mich war die Idee, einen Verein zu gründen, davon nicht so weit entfernt. Professor Mayer hat mit diesem zusätzlichen Geld viel bewirkt. Es wurden zum Beispiel Reisen von Studierenden zu Filmfestivals, wo sie ihre Filme präsentierten, finanziert", so Walkensteiner-Preschl.

Der Erbschaft verweist im Grunde zurück auf eine Institution, die in der Vergangenheit lange Zeit eher nach Gutsherrenart geleitet worden ist. Kathrin Resetarits, früher selber Studentin an der Filmakademie und inzwischen Drehbuchautorin, die ihr Fach auch in Wien und Berlin unterrichtet, erinnert sich: "Als ich Mitte der 90er-Jahre an die Film akademie kam, war eine sehr autoritäre Stimmung. In Opposition dagegen haben wir uns etwas Eigenes aufgebaut. Es gab manchmal so ein bisschen Grauzonen, typisch österreichisch."

Österreichische Charakteristika

An Peter A. Mayer erinnert sich Resetarits auch: "Mayer war ein jovialer Mensch, der die Filmakademie wie seinen Vorgarten betrachtete. Fachlich kam von ihm nichts Besonderes, aber er hat die Filmakademie geliebt. Mittlerweile würde vieles, was er gemacht hat, nicht mehr so gehen wie damals."

Wenn man mit heutigen Studierenden spricht, werden Umrisse einer im Lauf der Jahre deutlich modernisierten Akademie erkennbar, die nicht zuletzt im internationalen Wettbewerb markante Charakteristika aufweist: Berhard Wenger, der 2019 mit dem Kurzfilm Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin den Österreichischen Filmpreis gewann, betont, dass man "sich ausprobieren kann", während an deutschen Schulen sehr früh die Fernsehsender ins Spiel kommen und tendenziell "die Kreativität zerstören".

Scheitern erlaubt

Auch Albert Meisl von der Studierendenvertretung sieht die Filmakademie als einen Raum der Möglichkeiten: "Scheiterndürfen ist hier möglich, man muss noch nicht für einen Markt produzieren." Was in diesen Beschreibungen eher atmosphärisch klingt, hat auch formale Aspekte: In Wien bleiben die Rechte an den Akademiefilmen bei den Studenten (und nicht bei der Hochschule), allerdings sind auch die Möglich keiten, zusätzliche Mittel einzuwerben, beschränkt. Umso auffälliger ist, dass die internationalen Erfolge der Wiener Filmakademiker beträchtlich sind. Bernhard Wenger führt dies auch darauf zurück, dass in Wien "Professoren unterrichten, die in der Branche verankert und Aushängeschilder sind". Michael Haneke ist das prominenteste Beispiel.

De facto sind es allerdings verschiedene Branchen, die auf die Filmakademie einwirken. Schon die österreichische Kinolandschaft ist extrem vielfältig, dazu kommen Felder wie Werbung oder die nicht zuletzt von Peter A. Mayer lancierten digitalen Medien. Die 100.000 Euro sind eine großzügige Spende, für ein Institut wie die Filmakademie aber gar nicht so leicht zu verarbeiten: Kauft man eine teure Kamera, ist das Geld weg, lobt man Stipendien aus, ist einigen Studierenden geholfen. Wer kann über solche Fragen besser befinden: das Rektorat der Universität oder das Institut?

Ende der Grabenkämpfe

Diese Frage muss nun u. a. der neue Institutsleiter Danny Krausz moderieren. Er findet eine Institution vor, die in den letzten Jahren "aus diesen rein österreichischen Netzwerken herausgehoben" wurde, so Resetarits. "Die Trennung zwischen Mainstream und Kunstfilm ist meistens nicht fruchtbar. Wichtig wäre, keine Grabenkämpfe daraus zu machen, sondern das zusammenzuführen." Das wäre der größere Zusammenhang, vor dessen Hintergrund die prozeduralen Fragen über die 100.000 Euro von Peter A. Mayer zu diskutieren wären. (Bert Rebhandl, 21.7.2019)