Unterschriften sammeln für die Kandidatur: Werner Kogler vor dem Amtshaus in Wien-Neubau.

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Linz/Wien – Langsam füllt sich am frühen Morgen der Platz vor dem Linzer Rathaus. Bürger, die bereits auf dem Weg zum Arbeitsplatz die städtische Servicestelle aufsuchen wollen, warten vor der gläsernen Drehtür. Punkt sieben Uhr löst der Portier den Sperrmechanismus am Eingang. Das ist auch der Startschuss für Jan Millonig. Ein Schluck noch aus der Wasserflasche, und der Aufbau kann beginnen. Der 26-jährige Krankenpfleger ist Spitzenkandidat der Sozialistischen Linkspartei (SLP). Die SLP will bei der Nationalratswahl am 29. September als einzige Partei in nur einem Bundesland antreten.

Wenn man sie lässt. Denn für die Präsenz auf dem Stimmzettel muss die linke Splitterpartei zunächst einmal 400 Unterstützer finden. "Wir können als Kleinstpartei diese Unterstützung nur auf der Straße finden", sagt Millonig.

Rambazamba für ein paar Unterschriften

Aus dem kleinen Leiterwagen holt der "SLP-Aktivist" Plakate, Schilder, Flyer, Zeitungen und dekoriert damit den Rathausvorplatz. "Eigentlich könnten wir so richtig Rambazamba machen. Wir haben ganz offiziell eine Demo angemeldet."

Von Ramba und Zamba ist man zumindest an diesem Morgen aber noch weit weg. Zumeist erntet das SLP-Team statt einer nötigen Unterschrift ein Kopfschütteln. "Aber generell läuft es extrem gut", versichert Millonig dem STANDARD. 200 der nötigen 400 Unterschriften habe man in nur zwei Tagen beisammen gehabt.

Warum eigentlich nur in Oberösterreich? "Weil wir realistisch bleiben wollen und die Wähler nicht anlügen wollen. Es geht eben nicht um das große Ding, das Parlament." Nachsatz: "Echte Veränderung kommt nicht aus dem Parlament, sondern durch Druck aus Betrieben, Gewerkschaften und von der Straße."

Es reiche aber nicht, den Kapitalismus zu kritisieren. Millonig: "Es ist allerhöchste Zeit, ihn zu stürzen." Im Wahlkampf will er sich unter anderem auf Themen wie Umweltschutz, Wohnungsnot, Diskriminierung von Migranten und Frauen konzentrieren.

Wahlrecht wird als unfair empfunden

Um aber überhaupt um Stimmen werben zu dürfen, muss eine Wahlpartei bis zum 2. August um 17 Uhr eine oder mehrere Landeswahllisten einreichen – mit jeweils 100 bis 500 Unterschriften, die sich Wahlberechtigte auf ihrem Gemeindeamt bestätigen lassen müssen.

"Das Wahlrecht ist völlig unfair", sagt Rudolf Gehring, Generalsekretär der Christlichen Partei Österreichs (CPÖ), über das Prozedere: "Dass die Leute auf die Gemeindeämter gehen müssen, um zu unterschreiben, ist eigentlich eine Zumutung." Aber Gehring hat mit dieser Zumutung Erfahrung, es laufe gut mit dem Sammeln von Unterstützungserklärungen.

Anders ist das bei der Liste Gilt, die 2017 erstmals kandidiert und bei der Nationalratswahl 48.234 Stimmen bekommen hat. Mit Stand vom Freitag hat sie aber noch aus keinem einzigen Bundesland die nötige Zahl an Unterstützungserklärungen beisammen, um auf den Stimmzettel zu kommen, laut Website sind derzeit erst 318 Unterschriften gesammelt worden, weniger als halb so viele, als die von Roland Düringer gegründete Liste bei der letzten Wahl 14 Tage vor Abgabeschluss beisammen hatte.

Als herausfordernd beschreibt auch Marco Pogo, der Sänger der Band Turbobier, das Sammeln der Unterstützungserklärungen. Seine Bierpartei ist irgendwo zwischen Kunstprojekt (Slogan: "Dicht in die Zukunft"), Marketing für Turbobier ("Freibier gibt's für jeden") und politischem Experiment ("Mit 30 in die Pens'n, darüber kömma redn") zu verorten. Es ist in Österreich sehr leicht, eine Partei anzumelden, da genügt die Hinterlegung der Parteistatuten: "Das haben wir schon vor drei Jahren gemacht. Aber die die Partei ist bisher an der eigenen Faulheit gescheitert."

Unbekannte Kandidaten

Fertige Landeslisten, die er einreichen könnte, hat Pogo nicht – und dieses Manko teilt er mit mehren anderen Kleinparteien. Nur die Grünen, die für ihre Wiederkandidatur ebenfalls Unterschriften sammeln müssen, haben sich in diesem Punkt professionell aufgestellt. Das Problem, das man als Unterstützer einer Kandidatur hat, ist der Informationsmangel: Während man bei den Kommunisten, den Grünen und der SLP noch halbwegs ahnen kann, worauf man sich da einlässt, kann man sich etwa beim BZÖ nicht so sicher sein.

Die einst von Jörg Haider gegründete Partei wird von den rechtsextremen Identitären unterstützt, deren Chef Martin Sellner sogar als Kandidat im Gespräch war – nicht jeder, der der seinerzeit sogar in der Bundesregierung vertretenen orangen Partei seine Unterschrift geben will, wird das auf dem Radar haben.

Denn wer eine Unterstützungserklärung abgibt, gibt quasi einen Blankoscheck ab: Erst wenn eine Partei die Unterschriften beisammenhat, muss sie der Wahlbehörde offenlegen, für welche Personen diese überhaupt gelten sollen. (Conrad Seidl, Markus Rohrhofer, Theo Anders, 21.7.2019)