Sebastian Kurz ist derzeit Altkanzler, die Löschung einer Festplatte bei Auszug aus den Bundeskanzleramt bringt ihn und seine Partei nun in die Kritik.

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"Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen", versuchen die Mitarbeiter von Sebastian Kurz zu kommunizieren, während hinter ihnen über der ÖVP-Zentrale ein Feuerwerk abbrennt, in dem auch die Wahlkampfstrategie jenes Mannes, der fix als nächster Kanzler gilt, in Rauch und Flammen aufgeht. Es ist eine skurrile Geschichte, in der es vor Dummheit und Arroganz strotzt, es geht um Vertuschung, vielleicht auch um Machtmissbrauch, es geht um Intrigen und Verschwörungen. Es geht um österreichische Innenpolitik.

Ein Mitarbeiter von Kanzler Kurz macht sich mit der Festplatte eines Druckers aus dem Büro auf zur Firma Reisswolf, um diese dort vernichten zu lassen. Er gibt dabei einen falschen Namen an, aber die richtige Telefonnummer, und er zahlt die Rechnung nicht. Es folgt eine Betrugsanzeige, der Mann, mittlerweile in die ÖVP-Zentrale übersiedelt, wird ausgeforscht und von der Polizei dort abgeholt. Da die Aktenvernichtung unmittelbar nach dem Auffliegen der Ibiza-Affäre geschieht, geht die Sonderkommission in der Polizei erst einmal von einem direkten Zusammenhang aus.

Ein ganz normaler Standardvorgang, behauptet die ÖVP. Nichts Ungewöhnliches so etwas. Das ist eine doch sehr seltsame Argumentation. Warum wird denn eine einzelne Festplatte zum Schreddern in ein privates Unternehmen gebracht? Warum bedient sich der Mitarbeiter des Bundeskanzlers dabei eines falschen Namens? Lässt sich das tatsächlich mit der Dummheit dieses Mitarbeiters erklären, wie die ÖVP das argumentiert?

Nein, das ist kein normaler Vorgang. Das würde ein ganz übles Licht auch auf den Kanzler werfen, wenn seine Mitarbeiter quasi routinemäßig unter falschem Namen ausrücken müssten, um Datenträger aus dem Kanzleramt zu vernichten. Da drängen sich noch ein paar Fragen auf: Was hat die ÖVP zu verbergen? Warum müssen einzelne Datenträger aus dem Kabinett von Kurz außer Haus vernichtet werden? Was wäre denn auf diesem Datenträger Verwerfliches zu finden? Und wo gibt es den Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre? Den Verdacht, dass Kurz und sein engstes Umfeld bereits länger über den Ausritt von Heinz-Christian Strache auf Ibiza zumindest Bescheid wussten, gibt es schon länger.

Dass auch andere Ressorts Unterlagen vernichten und dass Vorgängerregierungen Festplatten gelöscht haben, ist richtig. Das gehört in Österreich zur politischen Folklore – wahrscheinlich nicht nur hier. Die neue Vorgangsweise im Team Kurz hat aber dennoch eine andere Qualität.

Die oben genannten Fragen werden so rasch nicht beantwortet werden, sie werden im Wahlkampf präsent bleiben, so viele Routen kann Kurz gar nicht schließen, um davon abzulenken. Wenn weiterhin auf diesem Niveau gearbeitet wird, ist eine Schlammschlacht zu erwarten – in den "sozialen" Medien zeichnet sich das schon deutlich ab. Und das betrifft keineswegs nur die ÖVP. Die SPÖ hat schon bewiesen, dass sie im Kampf gegen Kurz, den sie mit dem Messer zwischen den Zähnen führt, vor nichts zurückschreckt.

Die "neue" ÖVP hat den Anspruch von Sebastian Kurz, alles anders und besser, jedenfalls transparenter und fairer zu machen, offenbar schon wieder aufgegeben. Wenn das die anderen ermutigt, ebenfalls ihre Hemmungen fallen zu lassen, sind wir steil auf dem Weg in die Talsohle der politischen Kultur in Österreich. (Michael Völker, 21.7.2019)