Ankunft von 40 Gastarbeitern für die Verkehrsbetriebe am Südbahnhof im Jahr 1972.

Foto: ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Die ersten Arbeitsmigranten kamen aus dem Süden am damals größten Bahnhof des Landes an. Aus dem Zug stiegen Türken und Jugoslawen und wurden am Südbahnhof zu Gastarbeitern. Bekannte und Verwandte, die sich bereits zurechtgefunden hatten, holten sie ab. Die noch Glücklicheren wurden von künftigen Arbeitgebern oder Arbeitsvermittlern abgeholt.

Die Enge der Gastarbeiterunterkünfte oder ihre winzigen Wiener Wohnungen trieb sie immer wieder zum "Sidbanov". Die Männer standen in Grüppchen herum, nach Heimatorten aufgeteilt, tauschten Neuigkeiten aus, erzählten von möglichen Arbeitsstellen. Die alteingesessenen Wiener störten sich an diesen "herumlungernden Männern", die fremde Sprachen sprachen und wahrscheinlich hin und da ein Flascherl mit Sliwowitz oder Rakı herumreichten. Man fürchtete, der Südbahnhof würde zu einem "Basar" verkommen. Die Stadtregierung hatte sogar Pläne für ein eigenes Gastarbeiterviertel.

Eine Frau und Männer in der Bahnhofshalle.
Foto: ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung (POR)

Aus dem "Gastarbeiterquartier" wurde (zum Glück?) nichts, und den Südbahnhof gibt es nicht mehr. Dort, wo dieser stand, erinnert nichts mehr daran, dass die Bahnhofshalle und bei schönem Wetter der Vorplatz über Jahrzehnte die wichtigsten Orte in der Migrationstopografie Wiens waren. So ergeht es vielen anderen Orten, die für die bisher größten Einwanderungsgruppen der zweiten Republik wichtig waren und sind.

Dass die Arbeitsmigration und die Migration in Allgemeinen Wien und Österreich maßgebend geprägt haben, daran wurde (wenn auch viel zu selten) in Ausstellungen erinnert. Im Jahr 2004 konnte man "Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration" im Wien-Museum sehen, es gab die Wanderausstellung "Migration on Tour" oder die Ausstellung "Geteilte Geschichte. Viyana – Beč – Wien", ebenfalls im Wien-Museum im Jahr 2017.

Was aber fehlt, ist ein Migrationsmuseum, wie es andere Städte haben. Ein Ort, an dem gezeigt wird, dass die Großstadt Wien seit Jahrhunderten eine Stadt ist, in der man ankommt und bleibt. Es wäre ein Ort, an dem Schulkinder, deren Großeltern diese Stadt mit aufgebaut haben, spüren könnten, dass sie "von da sind". Und ein Ort an dem frisch Ankommende sehen könnten, dass man in dieser Stadt nur vorübergehend fremd ist. (Olivera Stajić, 23.7.2019)