Netflix hat Probleme.

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Streaming ersetzt Fernsehen. Dieser Trend, der sich bereits seit Jahren abzeichnet, versetzt traditionelle Fernsehsender in Panik. In den USA haben 35 Millionen Nutzer innerhalb eines Jahrzehnts das klassische Kabelfernsehen hinter sich gelassen. Auch in Österreich wird TV für Viele zunehmend unattraktiver.

Die Alternative sind für viele Streamingdienste. In den USA abonniert die Hälfte der Bevölkerung mindestens einen. Der unumstritten größte bleibt Netflix, wobei der Dienst aktuell Probleme hat – die Abozahlen im vergangenen Quartal waren in den USA rückläufig, international konnte man hingegen nur 2,7 statt 5,0 Millionen neue Abonnenten lukrieren.

Für Investoren ist das ein kleines Desaster. Das Ende des klassischen Fernsehens in den USA bedeutet auch, dass mehrere Milliarden US-Dollar an Aktienwert freigemacht werden. Bisher hatte man gedacht, dass Netflix den Großteil der Profite vereinnahmen wird. Der Aktienwert des Unternehmens ist seit dem Jahr 2009 um 8.300 Prozent gestiegen und stellt selbst Unternehmen wie Amazon, die für sich als außerordentliche Erfolgsgeschichte gelten, damit in den Schatten.

Netflix ist nicht die Zukunft

Doch nun stellt sich die Frage, ob Netflix trotz all dieser Umstände tatsächlich die Zukunft des Fernsehens ist. "Forbes" etwa findet: Nein. Das Unternehmen hat zwar eine massive Disruption herbeigeholt, indem es geändert hat, wie wir Fernsehen – aber nicht, was wir sehen. Der Erfolg von Netflix basiert vorwiegend darauf, dass es die Distribution geliebter Serien übernommen hat. Statt "Friends" im Fernsehen mühsam zu bestimmten, vorgegeben Zeiten anzusehen, streamen wir es auf Netflix, wann immer wir Lust darauf haben (wobei die Serie bald zu HBO wandern wird).

Exklusive Inhalte sind nun der Weg, um Kunden langfristig zu binden. Serien wie "Game of Thrones" haben das eindrucksvoll bewiesen. Das weiß Netflix auch, das Unternehmen verschuldet sich in Milliardenhöhe, um so viel Original-Inhalte wie möglich zu liefern. Letztes Jahr gab es zwölf Milliarden US-Dollar aus, heuer sollen es sogar 15 sein. Doch egal, wieviel Geld der Anbieter in die Hand nimmt– gegen einen Riesen wie Disney hat er wenige Chancen.

Alter Riese

Disney gibt es seit 1928, in dieser Zeit wurde geradezu ein Medienimperium aufgebaut. Allein Freizeitparks wie Disney World wurden im vergangenen Jahr von mehr als 160 Millionen Menschen besucht. Für viele Generationen sind Disneyfilme ein Teil der Kindheit. In der Vergangenheit hatte das Unternehmen Probleme – schließlich besitzt es den Sportsender ESPN und ABC News. Nun will man mit Disney+ in den Markt einsteigen. Los gehen soll es am 12. November, also in weniger als vier Monaten. Kosten: 6,99 Dollar im Monat. Und damit sechs Dollar günstiger als Netflix. Gleichzeitig muss Netflix alle Disney-Inhalte entfernen.

Massiver Erfolg

Disney hat eine Armada an erfolgreichen Inhalten zu bieten – mit Serien wie "Star Wars" und den "Simpsons" oder Charakteren wie Donald Duck. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen immer wieder die bestverkauften Filme produziert – "Avengers Endgame" etwa hat mittlerweile "Avatar" überholt und ist der erfolgreichste Film aller Zeiten.

Man stelle sich also vor, ein Film wie "Avengers Endgame" würde zeitgleich mit dem Kinostart auf dem Streamingservice zur Verfügung gestellt werden. Nachdem er nicht mehr im Kino läuft, wäre er nur noch bei dem Dienst verfügbar. Wer Filme wie "Die Eiskönigin" ("Frozen"), "Rapunzel – Neu verföhnt" oder ältere Klassiver wie "König der Löwen", "Mulan" oder "Lilo und Stitch" – beispielsweise mit seinen Kindern – sehen will, muss den Dienst abonnieren. Gerade für viele Familien sind die rund sieben Dollar im Monat bei einem solchen Angebot wohl entbehrlich.

Kostenintensive Eigeninhalte

Dazu kommt, dass Disney zu 60 Prozent den populären US-Streamingdienst Hulu besitzt.

Auch steigt die Fragmentierung am Streamingmarkt immer weiter. Wer alle populären Serien sehen will, muss gleich mehrere Dienste abonnieren. Während Netflix also seine besten Inhalte verliert und sich schwer verschuldet, um neue zu schaffen und zu hoffen, dass sie erfolgreich sind, hat Disney bereits ein gigantisches Angebot. Für den Streaminganbieter bleibe somit nicht viel Zeit, um ein "Wunder" geschehen zu lassen, resümiert "Forbes". (red, 24.7.2019)