Viele Bambusbecher setzen bei Temperaturen ab 70 Grad Celsius Schadstoffe frei.

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Sie werden als nachhaltig und umweltschonend verkauft: Bambusbecher sollen die Menge an Plastik- und Pappbechermüll verkleinern. Allein in Wien landen Schätzungen zufolge täglich 200.000 Stück Einwegkaffeebecher im Müll.

"Dieser Becher wurde aus umweltfreundlichen Bambusfasern hergestellt", lautet eine der Werbebotschaften der Bambusbecherproduzenten. Für die Konsumenten entsteht so der Eindruck, sie würden ein reines Naturprodukt kaufen. "Tatsächlich bestehen die Coffee-to-go-Becher aus fein zermahlenen Bambusfasern", entgegnet die Stiftung Warentest, die zwölf Produkte unter die Lupe genommen hat.

Das Pulver allein macht noch keinen Becher. Um in Form zu kommen, braucht es Klebstoff. Im Labor fanden die Tester in allen Bechern Melaminharz, das sich aus Formaldehyd und Melamin zusammensetzt. "Grundsätzlich ist Melaminharz kein gefährlicher Stoff. Kindergeschirr besteht oft daraus und ist meist sicher – solange der Kunststoff ordentlich verarbeitet ist und bestimmte Bedingungen beim Gebrauch eingehalten werden", heißt es vonseiten der Konsumentenschützer.

Hohe Melaminwerte

Bei Temperaturen unter 70 Grad Celsius gehen keine nennenswerten Schadstoffmengen in Lebensmittel über. Für Heißgetränke wie Kaffee und Tee sind die Bambusbecher demnach ungeeignet, betonen die Experten von Stiftung Warentest. Auch in Mikrowellen bestehe beim Aufwärmen die Gefahr der Überhitzung.

Im Labor füllten die Tester dreiprozentige Essigsäure in die Bambusbecher und hielten die Flüssigkeit zwei Stunden bei 70 Grad Celsius warm. Damit wurde ein heißes, leicht saures Getränk wie Kaffee simuliert. Insgesamt wiederholten die Konsumentenschützer diese Prozedur siebenmal pro Becher. Jeweils nach der dritten und siebten Befüllung wurde der Gehalt von Formaldehyd und Melamin in der Flüssigkeit gemessen. Diese Methode entspricht der EU-Verordnung 10/2011, in der die Bedingungen für die Prüfung der Migration von bestimmten Stoffen auf Lebensmittel festgelegt sind.

Das Ergebnis: In vier der zwölf Becher wurden bereits nach der dritten Befüllung sehr hohe Melaminwerte festgestellt, in drei weiteren nach der siebten Befüllung. Auch Formaldehyd fanden die Konsumentenschützer zum Teil in hohen Mengen in der Flüssigkeit. Die Analysen zeigten auch, dass die Schadstoffe nicht nur zu Beginn in die Flüssigkeit übergehen, "nach der siebten Migrationsprüfung lagen die Werte teilweise sogar noch höher. Die Schadstoffe verflüchtigen sich also nicht. Sie gelangen auch nach längerer Nutzung noch in die Getränke", heißt es im Bericht.

Auf Alternativen setzen

Melamin steht im Verdacht, Erkrankungen im Blasen- und Nierensystem zu verursachen. Formaldehyd reizt Haut, Atemwege oder Augen und kann beim Einatmen Krebs im Nase-Rachen-Raum verursachen.

Das einzige Produkt, das laut Test keine "Auffälligkeiten" zeigte, war der "Chicmic Bamboo Cup". Das Fazit der Konsumentenschützer: "Lassen Sie die Finger von Bambusbechern. Fast alle getesteten Produkte erwecken außerdem mit falschen Werbeversprechen den Eindruck, mit dem Kauf würden Nutzer ein reines Bambusprodukt erwerben oder der Umwelt einen Dienst erweisen." Der Tipp von Stiftung Warentest: Für Heißgetränke Mehrwegbecher aus anderen Materialien als Bambus verwenden. (red, 24.7.2019)