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Schimpansen verfügen offenbar über ein ähnlich gutes Arbeitsgedächtnis wie Menschen.

Foto: AP/Nadia Balduccio/Max Planck Institute

Wien – Schimpansen und ihre kleineren Cousins, die Bonobos, gelten als die nächsten Verwandten des Mensch. Man geht davon aus, dass der letzte gemeinsame Vorfahre vor rund sechs Millionen Jahren gelebt hat. Etwa 1,5 Millionen Jahre später trennten sich dann auch die Entwicklungslinien von Schimpansen und Bonobos. Der Mensch unterscheidet sich dem entsprechend genetisch nur gering von den beiden Schimpansenarten: Die Differenz beträgt gerade einmal rund 1,3 Prozent.

Das schlägt sich in zahlreichen gemeinsamen physiologischen Merkmalen und Fähigkeiten nieder. Nun haben Wissenschafter festgestellt, dass Schimpansen offenbar auch über ein ähnliches Arbeitsgedächtnis wie Menschen verfügen. Die Tiere merken sich mindestens vier vorhergehende Handlungen und passen ihr Tun dementsprechend an. Das entspricht in etwa den Fähigkeiten siebenjähriger Kinder, berichtete ein Team mit Wiener Beteiligung im Fachblatt "Proceedings of the Royal Society B".

Komplexe Aufgabenbewältigung

Die Fähigkeit, sich Informationen über gewisse Zeiträume bewusst zu merken und daraus etwa abzuleiten, wie eine komplexere Aufgabe bewältigt werden kann, wird als eine der großen Errungenschaften in der Entwicklung menschlichen Denkens angesehen. Damit etwa ein Satz oder Text verstanden werden kann, muss man sich am Schluss noch an dessen Beginn erinnern können.

Die Wissenschaft geht davon aus, dass vor allem der Mensch über ein leistungsstarkes Arbeitsgedächtnis verfügt. Wie es um diese Fähigkeit bei Tieren bestellt ist, war bisher hingegen noch relativ wenig erforscht, schrieb das Forschungsteam in der aktuellen Arbeit.

Die Wissenschafter von der Universität von St Andrews (Großbritannien), vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und vom Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität (Vetmed) Wien untersuchten nun das Arbeitsgedächtnis der Schimpansen (Pan troglodytes) in einem Futtersuche-Experiment. "Frühere Studien zeigten bereits, dass Schimpansen ein exzellentes Langzeitgedächtnis besitzen. Bisher war allerdings wenig über ihr Arbeitsgedächtnis bekannt", so Christoph Völter, der unter anderem an der Vetmed tätig ist.

Maximierte Futterausbeute

In der Studie konnten insgesamt 13 Tiere jeweils beobachten, wie die Forscher Futter in unterschiedlichen undurchsichtigen Boxen versteckten. Wählten die Schimpansen dann eine Box aus, die Nahrung enthielt, erhielten sie diese als Belohnung. Nach jedem Versuch wurden die Boxen für 15 Sekunden abgedeckt.

Damit die Menschenaffen die maximale Futterausbeute erzielten, mussten sie sich also merken, welche Behälter sie schon zuvor ausgewählt hatten. Je nach dem Abschneiden der einzelnen Tiere verkomplizierten die Wissenschafter die Aufgabe und änderten entweder deren Anordnung oder Anzahl. In weiteren Tests wurden die Tiere auch zusätzlich abgelenkt.

Ablenkung schmälert den Erfolg

Es zeigte sich, dass sich die Schimpansen im Schnitt an mindestens vier von ihnen bereits ausgewählte Boxen erinnerten. Ein junger Schimpanse merkte sich sogar sieben Behälter. Diese deutlichen Unterschiede im Abschneiden bei der Aufgabe waren auch über mehrere Monate stabil, in denen die Tiere das Experiment immer wieder wiederholten. Das Aussehen der Boxen und deren Position spielte ebenso eine Rolle bei den erzielten Ergebnissen. Wie auch Menschen taten sich die Affen deutlich schwerer, wenn man sie durch eine zweite oder dritte Aufgabe ablenkte. Im Unterschied zu Menschen gingen die Tiere jedoch nicht systemarisch vor: So kam beispielsweise keiner der Schimpansen auf die Idee, die Behälter der Reihe nach abzusuchen.

Insgesamt fanden die Wissenschafter jedoch deutliche Parallelen im Arbeitsgedächtnis von Schimpansen und Menschen: "Unsere Studie zeigt, dass Schimpansen ähnlich abschneiden wie siebenjährige Kinder in einer für sie leicht verständlichen Arbeitsgedächtnisaufgabe, die ohne langwieriges Training auskommt", so Völter. (red, APA, 28.7.2019)