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Li Peng sorgte nicht nur außerhalb Chinas für Kontroversen.
Foto: AP Photo/Ng Han Guan

Die beiden Sprecher der CCTV-Abendnachrichten um 19 Uhr trugen schwarze Kleidung. Doch ihre Meldung über den Tod des wegen seiner Rolle beim Tiananmen-Massaker des 4. Juni 1989 international wie auch in China bis heute umstrittenen einstigen chinesischen Premiers Li Peng kam erst an vierter Stelle nach ausführlichen Berichten über aktuelle Aktivitäten der heutigen Führer, Parteichef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang.

Dann erst verkündeten die Sprecher im Namen von Partei und Regierung und in "tiefer Trauer", dass Montag kurz vor Mitternacht der chinesische Seniorpolitiker im Alter von 91 Jahren gestorben war.

1987 bis 1998 Premierminister

Mehr als elf Jahre lang war Li von 1987 bis 1998 Premierminister Chinas und danach als Präsident des Volkskongresses – Chinas sozialistischen Parlaments – zweithöchster Politiker seines Landes. 2003 ging er in den Ruhestand.

Dass sein Tod nicht als Topnachricht gemeldet wurde, war für China ungewöhnlich. Zumal im danach verlesenen langen Nachruf auf ihn sein Tod als "schwerer Verlust für Partei und Staat" bezeichnet wurde. Peking forderte die Nation auf, von seinem revolutionären Geist zu lernen. Li habe der kommunistischen Sache sein Leben lange gedient.

Doch sein Name polarisiert noch immer. Das kam im Internet zum Ausdruck. Die Zensoren hatten zu tun. Viele Kommentarfunktionen in den Nachrichtenblogs wurden abgeschaltet, kritische oder gar Li schmähende Beiträge sofort gelöscht. Nur ihre Überschriften blieben eine Zeitlang noch stehen.

Chinesische Machtzentrale anno 1997: Präsident Jiang Zemin (li.) und Premierminister Li Peng.
Foto: AFP/ROBYN BECK

Peking baute allen Missverständnissen vor, dass sich an seiner Politik etwas ändern könnte. Der offizielle Nachruf auf Li lobte ausdrücklich seine Rolle während der Tiananmen-Demonstrationen, als Li das Kriegsrecht über Peking verhängte, die Armee zu Hilfe gegen die Demonstranten rief und den damaligen mit den Studenten sympathisierenden Parteichef Zhao Ziyang entmachten ließ. Li verteidigte sich später damit, er stünde zu Unrecht als Alleinverantwortlicher am weltweiten Pranger. Er habe nur auf Geheiß des wirklichen Entscheiders und starken Manns Chinas, Deng Xiaoping, gehandelt, der im Hintergrund blieb.

Keine Neubewertung der Tiananmen-Ereignisse

Chinas Führung machte nun klar, dass sie nicht zulassen werde, dass der Tod von Li als Signal für eine Neubewertung der Tiananmen-Ereignisse missverstanden werden könnte. Im Nachruf steht in eindeutiger Wortwahl: "Genosse Li Peng zeigte während der politischen Wirren 1989 klare Flagge, unterstützt von Deng Xiaoping als Vertreter der alten Generation proletarischer Revolutionären – und zusammen mit den meisten Genossen des Politbüros. Er ergriff entschlossene Maßnahmen, um das Chaos zu stoppen und den konterrevolutionären Aufruhr zu befrieden. Er stabilisierte die Inlandslage. Er spielte eine wichtige Rolle in diesem großen Kampf, bei dem es um das Schicksal von Partei und Staat ging."

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Juni 1989: Panzer fahren auf dem Platz des Himmlischen Friedens auf.
Foto: AP Photo/Jeff Widener

Der Nachruf lobte auch eine andere kontroverse Entscheidung Li Pengs. Der einst in der Sowjetunion im Bereich Wasserbau ausgebildete Technokrat und später für Stromgewinnung und Atomkraft zuständige Energieminister war eine der treibenden Kräfte hinter dem jahrelang debattierten Beschluss, den gigantischen Drei-Schluchten-Damm zu bauen. Dafür wird Li nun noch einmal gelobt. "Er hat eine wichtige Rolle in der wissenschaftlich-demokratischen Entscheidung und beim Bau des Drei-Schluchten-Projekts gespielt."

Die Abstimmung 1993 im Volkskongress, ob China den Damm bauen solle, war allerdings so umstritten, dass sich ein Drittel der Abgeordneten damals der Stimme enthielten oder offen dagegenstimmten. Es war das größte Misstrauensvotum, dass sich das gleichgeschaltete sozialistische Parlament jemals geleistet hat. (Johnny Erling, 23.7.2019)