"Our house is on fire. I am here to say, our house is on fire", sagte Greta Thunberg. Unser Lebensstil bedroht unsere Existenz. Wir zerstören den Boden, auf dem wir leben, und wenn wir unser bequem gestaltetes Leben jetzt nicht radikal ändern, haben wir keine Chance mehr, die Klimakatastrophe abzuwenden. Da wir in einer repräsentativen Demokratie leben, liegt es jedoch nicht nur an uns, den Bürgerinnen und Bürgern, etwas zu verändern: weitreichende umweltpolitische Entscheidungen fallen in Parlamenten. Doch was denken Abgeordnete über umweltpolitische Fragen? Und handeln sie auch im Einklang mit ihren Einstellungen?

Gender Gap

Dank umfassender Forschung wissen wir, dass linke Einstellungen auf Bürgerebene eng mit einer umweltfreundlichen Haltung verwoben sind. Forschung auf Ebene der Bürger und Bürgerinnen zeigt jedoch auch, dass ein weiterer Faktor von großer Bedeutung ist: das Geschlecht. Länderübergreifend sind es Frauen, die sich stärker für Umweltschutz aussprechen und sich Umweltrisiken eher bewusst sind als Männer. So schätzen Frauen beispielsweise ein breites Spektrum von Umweltfragen — sei es der Klimawandel, die Kernenergie oder Wasserverschmutzung — als problematischer ein. Aber das ist noch nicht alles: Empirische Untersuchungen zeigen, dass Bürgerinnen auch ihr Verhalten entsprechend ihrer Einstellungen anpassen. Frauen handeln umweltfreundlicher, was sich beispielsweise in nachhaltigem Konsumverhalten oder auch in aktiver Mitgliedschaft in Umweltorganisationen äußert.

Will man diese Unterschiede erklären, deutet vieles auf eine geschlechtsspezifische Sozialisierung hin. Während Frauen dazu sozialisiert werden, mitfühlend, kooperativ und fürsorglich zu sein, lernen Männer, dass die Erfüllung männlicher Verhaltensnormen Konkurrenzdenken und Unabhängigkeit erfordert. Diese Geschlechtererwartungen prägen das Denken und Handeln im späteren Leben, so der Sozialisierungsansatz. Selbst wenn noch nicht gänzlich geklärt ist, wie es zu geschlechterspezifischen Unterschieden kommt, die Existenz des Gender Gaps bezüglich umweltpolitischer Fragen ist unbestritten.

Greta Thunberg, Gesicht einer neuen Klimabewegung.
Foto: APA/AFP/LIONEL BONAVENTURE

Machen weibliche Abgeordnete andere Politik als ihre männlichen Kollegen?

Aber trifft das auch für die "Eliteebene" zu? Gibt es solche Geschlechterunterschiede auch unter Abgeordneten? In unserem neuesten Forschungsartikel in der Fachzeitschrift "Environmental Politics" gehen wir dieser Frage nach und untersuchen sowohl Einstellungen als auch Abstimmungsverhalten von Mitgliedern des Europäischen Parlaments (MdEPs).

Intuitiv würden wir es für unwahrscheinlich halten, dass individuelle Merkmale von MdEPs wie eben das Geschlecht die (Umwelt-)Gesetzgebung beeinflussen. Die Umweltpolitik zählt nämlich nicht zu jenen Bereichen, die im Verdacht stehen, durch Geschlechterunterschiede gekennzeichnet zu sein: Während die Forschung in sogenannten "Frauenthemen" Unterschiede in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung oder der Sozialpolitik feststellt, ist der Effekt von Geschlecht auf andere Politikbereiche umstritten. Darüber hinaus sind Abgeordnete nicht nur Individuen mit eigenen Interessen und Idealen, sondern auch Parteienvertreterinnen und -vertreter, die von internen Nominierungsprozessen abhängig sind.

Forschung bezüglich des Abstimmungsverhaltens von Parlamentarierinnen und Parlamentariern konzentriert sich daher auch weniger auf persönliche Merkmale der Abgeordneten, sondern vor allem auf Parteizugehörigkeit und Nationalität. Monika Mühlböck und Nikoleta Yordanova widmeten sich hier im Politikwissenschaftsblog vor kurzem der Frage, wie MdEPs abstimmen und welche Forschungsergebnisse hierzu existieren. Dabei stellten sie fest, dass Studien individuellen Attributen von Parlamentariern bisher noch wenig Aufmerksamkeit schenken. MdEPs, wie auch nationale Abgeordnete, sind relativ homogen, was Bildungsgrad, Alter und Einkommen betrifft. Die Annahme, dass persönliche Attribute deshalb keine Rolle spielen, hat jedoch in der Literatur eine Lücke geschaffen: Welche konkreten Auswirkungen das Geschlecht auf das Abstimmungsverhalten hat, blieb lange unerforscht.

Frauen stimmen häufiger Umweltschutzgesetzen zu

Um diese Lücke zu schließen, werfen wir in unserem Blogbeitrag einen Blick auf das weltweit einzige multinationale Parlament: das Europäische Parlament (EP). Das EP ist für dieses Vorhaben in besonderer Weise geeignet: Zum einen haben Frauen einen — verglichen mit vielen nationalen Parlamenten — hohen Anteil an Parlamentssitzen und besetzen zudem einflussreiche Ausschusspositionen. Zum anderen ist die Gesetzgebung des EP in umweltpolitischen Fragen über die Jahre hin sehr weitreichend geworden. Wenn das umweltpolitische Verhalten von Eliten durch Geschlechterunterschiede gekennzeichnet ist, dann sollten wir diesen Effekt also genau hier sehen: zwischen männlichen und weiblichen MdEPs.

Basierend auf Umfragedaten, die im Zeitraum des sechsten (2004–09) und siebten Europäischen Parlaments (2009–14) gesammelt wurden, untersuchen wir im ersten Schritt die Einstellungen von MdEPs. Entgegen unseren Erwartungen finden wir keine substanziellen Einstellungsunterschiede zwischen weiblichen und männlichen Abgeordneten in Umweltthemen. Zwar sehen wir anfangs einen Geschlechterunterschied, dieser verschwindet jedoch, wenn wir die Ideologie beziehungsweise die Zugehörigkeit der MdEPs zu ihren jeweiligen EP-Fraktionen in unsere Analyse miteinbeziehen. Dies bedeutet, dass Ideologie beziehungsweise Fraktionszugehörigkeit die Unterschiede zwischen Abgeordneten besser erklärt als das Geschlecht. Mit anderen Worten, innerhalb dieser Fraktionen können wir keine signifikanten Unterschiede feststellen.

Richten wir unsere Aufmerksamkeit allerdings auf konkretes Verhalten — und zwar auf Abstimmungen zu Umweltthemen aus demselben Zeitraum –, dann zeigt sich ein ganz anderes Bild: Frauen stimmen weitaus häufiger für Gesetze und Maßnahmen ab, die dem Umweltschutz zugute kommen, als ihre männlichen Kollegen. Entscheidend ist, dass dieser Zusammenhang robust gegenüber anderen Faktoren wie etwa der Parteizugehörigkeit oder Nationalität der MdEPs ist. In Anbetracht der hohen Homogenität der Abgeordneten, ihrer Parteibindungen und ihrer nationalen Loyalität — allesamt Faktoren, die es unwahrscheinlicher machen, dass persönliche Attribute noch einen Einfluss auf ihr Verhalten ausüben können — sind diese Erkenntnisse bemerkenswert. Obwohl Delegierte vor ihrer EP-Mitgliedschaft zunächst einmal in eine Partei eintreten mussten und damit bereits im Vorfeld ideologische Entscheidungen getroffen haben, beobachten wir bei der Entscheidung über Umweltschutzmaßnahmen dennoch Geschlechterunterschiede innerhalb von Parteigruppen.

Frauen handeln umweltbewusster als Männer

Zusammengenommen zeigen unsere Ergebnisse, dass sich Männer und Frauen gleichermaßen für Umweltschutz aussprechen, es aber vorwiegend Frauen sind, die ihren Worten Taten folgen lassen. Diese Erkenntnisse sind von enormer politischer Relevanz. Der Frauenanteil im Europäischen Parlament ist von 16 Prozent nach den ersten Europawahlen im Jahr 1979 auf 41 Prozent im Jahr 2019 angewachsen und liegt damit deutlich über dem Durchschnitt nationaler Parlamente (22,2 Prozent in 2014). Doch noch immer sind Frauen auf allen institutionellen Ebenen der Legislative unterrepräsentiert. Unsere Forschungsergebnisse liefern ein weiteres Argument dafür, warum ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis von so großer Bedeutung für unsere Gesellschaft ist: Frauen handeln in Bezug auf umweltpolitische Fragen anders als ihre männlichen Kollegen. Damit bilden sie die Geschlechterunterschiede, die auf Bürgerebene bestehen, ab und tragen dazu bei, dass weibliche Interessen gleichermaßen repräsentiert werden. Nein, mehr Frauen ins Parlament zu wählen wird nicht die alleinige Lösung der Klimakatastrophe sein. Und doch, es ist ein entscheidender Schritt in Richtung Zukunftsgerechtigkeit. (Lena Ramstetter, Fabian Habersack, 29.7.2019)