Kandidatinnen, die sich einer Wahl stellen, brauchen Mitstreiterinnen, die ihnen den Rücken stärken. Männer leben diese geschlechtliche Solidarität, so die Journalistin und Buchautorin Elisabeth Horvath im Gastkommentar.

Wo sind eigentlich die Frauen geblieben? Die "Frauen für Pamela Rendi-Wagner"? Wo sind die Prominenten aus allen gesellschaftlichen Schichten – die Schriftstellerinnen, die Schauspielerinnen aus Theater, Film und Fernsehen, die Feministinnen und Frauen, die stets auf die Straße gehen, sich lautstark zu Wort melden, wenn es um Frauenfragen, Frauenrechte, geht? Wo sind die "Omas für Rendi-Wagner", die sonst auch für die Zukunft ihrer Enkeltöchter auf die Barrikaden steigen? Wo sind die Frauen aus Wirtschaft, Kultur, Politik und Medien, die Plattformen bilden? Die ansonsten ja auch immer gerne ihren Namen, ihre Stimme, ihr Gesicht hergeben?

Warum sind sie diesmal in öffentliches Schweigen verfallen? Warum rührt sich nichts an der Frauenfront? Man braucht ja nur an den einstigen langen, mühevollen Kampf der Frauen um das Wahlrecht zu denken, dann wundert man sich schon sehr über das Nichtengagement der Meinungsmacherinnen hierzulande.

Pamela Rendi-Wagner ist die erste Frau an der SPÖ-Spitze.
Foto: APA/Herbert Neubauer

Eine Chance – immerhin

Natürlich war während Rendi-Wagners erster Vorsitzphase nicht absehbar, dass die türkis-blaue Regierung schon nach eineinhalb Jahren kippt und es Neuwahlen gibt. Doch in der Zwischenzeit ist klar, dass erstmals eine Chance besteht, dass aus Wahlen eine Kanzlerin hervorgeht. Eine Chance, die nicht so schnell wiederkommt. Selbst wenn es im Moment nicht so aussieht, als wäre die Chance eine große. Doch wer nicht wagt, gewinnt auch nicht.

Immerhin stellen die Frauen in der heimischen Bevölkerung laut Statistik Austria mit 51 Prozent die Mehrheit. Immerhin stellt die österreichische Sozialdemokratie mit Rendi-Wagner erstmals in ihrer 130-jährigen Geschichte eine Frau als Parteivorsitzende. Immerhin ist Rendi-Wagner, 48, eine gebildete, gescheite, moderne, sprachgewandte, fortschrittliche Frau, die mit ihrer Biografie – Kindheit im Gemeindebau, verheiratet mit einem Diplomaten, zwei Kinder, Medizinerin – mitten im Leben steht. Von daher jedenfalls bringt sie Erfahrungen mit, die ihre männlichen Mitbewerber nicht einmal ansatzweise vorweisen können. Und dass sie in der Politik relativ neu ist, dieses "Manko" weisen auch andere auf dem politischen Parkett auf. Immerhin geht es mit Rendi-Wagner nicht um die Chefin einer kleinen, relativ neuen Partei mit Umfragewerten von maximal acht bis neun Prozent. Hält die SPÖ doch nach wie vor den zweiten Platz, Tendenz steigend. Wenngleich – zugegeben – mit einem nicht unwesentlichen Abstand zur ÖVP.

Rücken stärken

Natürlich ist Frausein kein Programm. Es geht immer noch um politische Werte, Grundsätze und Inhalte. Und natürlich waren Rendi-Wagners bisherige persönliche Umfragewerte nicht so animierend und erfolgversprechend, dass sich Frauen mit dem Weckruf "PRW for chancellor" aus Überzeugung in die Kampagnenschlacht geworfen hätten. Einerseits. Andererseits kann man auch argumentieren: Vielleicht wären Rendi-Wagners Werte von Anfang an bessere gewesen, hätte die SPÖ-Vorsitzende mehr Frauen hinter sich gehabt, mehr weibliche Unterstützung. Nämlich von Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, die etwas zu sagen haben, die Meinung machen, die Atmosphäre schaffen. Nicht nur machen Kleider Leute, sondern es machen auch Vorkämpferinnen Siegerinnen. Geben sie doch das ideale Vorbild für andere Geschlechtsgenossinnen ab. Wodurch eine Sogwirkung, eine Stimmung entsteht, der man sich – psychologisch besehen – nicht so leicht entziehen kann. Und Psychologie macht in der Politik das halbe Leben, wenn nicht gar um einiges mehr. Und zwar auf beiden Seiten: auf der Seite der Wählerinnen ebenso wie auf jener der Kandidatinnen, die sich zur Wahl stellen.

Denn gerade Letztere brauchen Mitstreiterinnen, die ihnen den Rücken stärken, die zu ihnen stehen, die von ihnen überzeugt sind – auch wenn die Zeiten gerade keine rosigen sind. Haben es doch Frauen insgesamt in einer männlich dominierten Gesellschaft, wie die österreichische wahrlich eine ist, um vieles schwerer als ihre männlichen Kollegen und Mitbewerber. Stehen sie doch meist allein einer Phalanx von Männern gegenüber, die einfach anders sind. Und sie womöglich falsch coachen beziehungsweise overcoachen, weil sie nicht wissen – können -, wie Frauen ticken.

Männerseilschaften

Dabei müssten sich die Frauen diese geschlechtliche Solidarität eigentlich nur von den Männern abschauen: Wie schnell sich da Seilschaften bilden, wie schnell sie sich hinter einen Mann an der Spitze scharen, wie sie ihn geradezu zur Macht tragen, das könnte den Frauen doch ein Vorbild sein. Und das wissen die Frauen auch. Nur: Warum handeln sie dann nicht – beziehungsweise nicht oft genug – danach? (Elisabeth Horvath, 24.7.2019)