Was für ein Impeachment spricht

Der Albtraum kann nicht früh genug vorbei sein. Donald Trump soll nicht die Ehre zuteil werden, seine Amtszeit als Präsident auszufüllen; und er darf sich auch nicht wie selbstverständlich in eine Reihe mit "normalen" und ehrenwerten US-Staatschefs einreihen. Manche Demokraten hoffen schon seit der Angelobung auf ein unehrenhaftes Ende der Trump-Präsidentschaft – nun scheint es in greifbare Nähe gerückt: Das Repräsentantenhaus, wo die Demokraten eine Mehrheit haben, könnte ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatschef in die Wege leiten. Und der Senat, in dem die Republikaner dominieren, hätte am Ende vielleicht keine andere Chance, als den Präsidenten mit Zweidrittelmehrheit abzusetzen – dann, so hoffen manche Demokraten, wenn Kongress-Ermittlungen bald Gesetzesverstöße beweisen.

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Donald Trump meint, von der Mueller-Aussage wenig Neues befürchten zu müssen.
Foto: Reuters/Carlos Barria

Es geht dabei nicht nur um die demonstrative Verachtung des US-Präsidenten von bisherigen demokratischen Normen oder den stets noch offener zur Schau gestellten Rassismus, der bei Trump nicht mehr in den Bereich der "Ausfälle", sondern in jenen des politischen Programms und der zynischen Wahlstrategie fällt.

Frage der Beweise

Es geht auch um die Beweislage: Mindestens zehnmal soll Trump laut Mueller-Report versucht haben, in eigener Sache zu intervenieren; sogar die Entlassung Muellers selbst soll er befohlen haben, was nur an der Weigerung seiner Mitarbeiter scheiterte. Auch hat Mueller in seinem Bericht ziemlich klar gemacht, dass er Trump nicht für unschuldig hält: Man könne den Staatschef allerdings nicht anklagen, heißt es – vor allem aber wegen einer Richtlinie des Justizministeriums, die das verbiete. In einer Pressekonferenz betonte er: "Wenn wir überzeugt wären, dass der Präsident sicher kein Verbrechen begangen hat, dann würden wir das auch sagen." Viele haben das als Weitergabe des Falls an die Abgeordneten verstanden; als Anweisung, ihre Kontrollpflichten zu erfüllen.

Warum nicht probieren?

Vor allem aber stehen die Vorwürfe aus Muellers Bericht und jene des Rassismus nicht im Vakuum. Sie betreffen einen Präsidenten, der in vielfacher Hinsicht untragbar erscheint: wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung und Vergewaltigung; weil er mit Dekreten regiert, statt Gesetze im Kongress beschließen zu lassen; und weil er das Niveau via Twitter in neue Kellertiefen geführt hat. So hat auch der demokratische Abgeordnete Al Green seinen jüngsten, erfolglosen Impeachment-Antrag begründet: Viele sagten, man könne gegen Trump nichts tun. Er sei gewählt und daher in einer Position, etwas zu machen. Das sollten auch seine Kollegen berücksichtigen.

Ein Impeachment mag nicht erfolgreich sein – aber man könnte Gewissen und Verfassungspflicht folgen. Warum also erst gar nicht versuchen?

Was gegen ein Impeachment spricht

Wenn die Demokraten Donald Trump möglichst bald loswerden wollen, dürfen sie nicht der Versuchung erliegen, ihn abzusetzen. Ein solcher Schritt wäre nicht durchzusetzen, weil es im Kongress keine Mehrheit dafür gibt – vermutlich nicht einmal im Repräsentantenhaus, das die Demokraten selbst kontrollieren. Ganz sicher aber würden einer Absetzung nicht die nötigen zwei Drittel des Senats zustimmen, denn immerhin wird die kleinere Kammer im US-Kongress noch immer von den Republikanern dominiert. Und vor allem: Die meisten US-Amerikanerinnen und Amerikaner sind gegen einen solchen Schritt.

Zwar sind mittlerweile zwei Drittel der demokratischen Wähler dafür – Republikaner lehnen ihn aber ebenso ab wie jene Gruppe, die noch fast jede Wahl in jüngerer Zeit entschieden hat: die politisch Unabhängigen.

Viele Gegner

Die Demokraten würden mit der Entscheidung für ein Impeachment auf die reine Lehre setzen – darauf, ihrem Gewissen zu folgen und Kernwählerschichten zufriedenzustellen. Es wäre aber ein Schritt gegen die politische Vernunft und gegen den künftigen Erfolg der Partei. Vor allem die Midterm-Wahlen haben gezeigt, dass Demokratinnen und Demokraten dort erfolgreich waren, wo es um sachpolitische Themen ging: um die Gesundheitsreform, Versicherungen, bessere Arbeitsbedingungen, um die Altersvorsorge, Mindestlohn und Einkommen – Themen, die unmittelbare Verbesserungen versprechen. Trump hat es mit seinem polarisierenden Verhalten geschafft, die Demokraten in den Augen vieler zu einer Partei der Mitte, des Ausgleichs und des Rechtsstaats zu machen. Das ist eine Rolle, die bisher oft die Republikaner innehatten – und die schnell wieder verspielt ist.

Vorsorglich hat er dennoch die Angriffe auf den Sonderermittler wiederaufgenommen.
Foto: APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI

Eine politische Gruppe, die sich offen für die Absetzung des gewählten Staatsoberhaupts ausspricht, stellt zu einem gewissen Grad ihre radikalsten Mitglieder ins Schaufenster. Sie könnte dann gewiss nicht mehr für sich beanspruchen, auch die Interessen moderater Konservativer zu vertreten, die sich zuletzt oft für die Demokraten entschieden hatten.

Dann geht es um Trump

Setzt die Partei auf ein Absetzungsverfahren, riskiert sie, den nächsten Wahlkampf auf ein Thema einzuengen: Donald Trump. Und nicht zuletzt 2016 hat sich gezeigt, wem das hilft: Donald Trump. Ihm eine zweite Amtszeit ermöglicht zu haben würde schwerer auf dem Gewissen lasten als der Impeachment-Verzicht. Außerdem ist es in einer Demokratie Kernaufgabe der Wählerinnen und Wähler, schlechte Amtsinhaber wieder abzuwählen. Ihre Bereitschaft dazu haben die US-Amerikanerinnen und Amerikaner bereits bei den Midterm-Wahlen im vergangenen Jahr gezeigt – nun sollten sie auch den letzten Schritt selbst gehen. (Manuel Escher, 24.7.2019)