Die ÖBB befürchten durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshof Mehrkosten von 200 Millionen Euro.

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Wien/Luxemburg – Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) schätzen die durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Bahnsteignutzung entstehenden Kosten auf bis zu 200 Millionen Euro. Damit würden entsprechende Zahlungen auf die ÖBB Infrastruktur und in Folge auf den österreichischen Steuerzahler zukommen, heißt es gegenüber der APA.

Anfang Juli wurde ein Urteil des EuGH bekannt, in dem die Kosten für die Nutzung der Bahnsteige geregelt wurden. Die Westbahn hatte sich an die Bahn-Regulierungsbehörde Schienen-Control gewandt, die wiederum die Frage dem EuGH vorlegte. Die ÖBB zeigen sich von der Entscheidung des EuGH über den "Bahnsteigkantenfaktor" sehr enttäuscht. Nach ersten unternehmensinternen Schätzungen könnten im Zeitraum 2015 – 2019 Entgelte von bis zu 200 Mio. Euro betroffen sein.

ÖBB: "Liberalisierung auf Kosten der Steuerzahler"

Konkret müsse die ÖBB-Infrastruktur das Geld nicht nur an die anderen Bahnen, die die Bahnsteige nutzen, wie etwa die Westbahn zurückzahlen. Die ÖBB Infra müsste auch Geld an den ÖBB Personenverkehr zurückzahlen, das dieser dann an die Besteller von Verkehren – die Bundesländer – refundieren müsse, heißt es seitens der ÖBB.

Die ohnehin bereits sehr niedrige Kostendeckung der Bahnhöfe mit nur knapp 20 Prozent würde damit weiter gesenkt werden. Attraktive und sichere heimische Bahnhöfe seien aber Grundvoraussetzung für hohe Kundenfrequenz und zufriedene Fahrgäste – von denen letzten Endes alle Bahnunternehmen in Österreich profitieren, betont die Staatsbahn.

"Das ist Liberalisierung auf Kosten der Steuerzahler und ohne Vorteile für die Bahnkunden", kritisiert ÖBB-Kommunikationschef Sven Pusswald. Das EU-Ziel der Attraktivierung des Eisenbahnverkehrs werde dadurch nicht erreicht, Klimaschutzinvestitionen möglicherweise gefährdet.

Bilanz werde belastet

Von der EuGH-Entscheidung seien auch andere europäische Infrastrukturbetreiber, beispielsweise in Deutschland und Polen, betroffen. "Wir werden auf allen Ebenen unser Bestes geben, diese potenzielle Kostenlawine vom Steuerzahler abzuwenden und auch auf europäischer Ebene versuchen, eine regulatorische Lösung anzustreben, die im Sinne der Eisenbahnkunden ist", heißt es von ÖBB-Seite.

Einnahmen, welche die ÖBB Infrastruktur nicht aus dem laufenden Eisenbahnbetrieb erwirtschaften kann, müssten von der Republik Österreich kompensiert werden. Die Bilanz 2019 werde natürlich durch die Folgen der EuGH-Entscheidung belastet, so die Staatsbahn.

Verkehrsministerium beschwichtigt

Aus dem Verkehrsministerium kommen vorsichtigere Töne. Es sei noch viel zu früh, die Folgen des Urteils und insbesondere die Kosten für die Steuerzahler abzuschätzen, heißt es zur APA.

Insbesondere die Einschätzung der ÖBB, dass die erwartete bis zu 200 Mio. Euro hohe Belastung für die ÖBB Infrastruktur auch zu hohen Kosten für die Steuerzahler führen würde, teilt man im Verkehrsministerium nicht. Sondern es wird auf die Regelungen in den Verkehrsdiensteverträgen verwiesen. Zuerst müsse man sich die Auswirkungen des Urteils genau anschauen, aber hohe Belastungen im Bereich des bestellten Verkehrs erwarte man nicht, heißt es. (APA, 23.7.2019)