Die Fragmentierung des Streamings scheint Piraterie für Nutzer wieder attraktiver zu machen.

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Streaminganbieter wie N etflix und Amazon bringen uns gegen Monatsgebühr tausende Serien und Filme ins Wohnzimmer. Doch in Zukunft könnten ein bis zwei Abos zu wenig sein, um alle Lieblingsinhalte ansehen zu können. Denn Disney und zahlreiche andere Studios und TV-Netzwerke stehen mit eigenen Streamingservices in den Startlöchern.

Das könnte, so erwarten manche Beobachter, die User zurück zur Filmpiraterie treiben, gegen die Streaming lange als eine Art Wundermittel angesehen wurde. Längst sind Nutzer dabei auch nicht mehr darauf angewiesen, sich mühsam Torrents von Filmen und Serien aus potenziell dubiosen Quellen zu suchen oder malwareverseuchte oder mit Pornowerbung zugepflasterte Streamingportale der illegalen Sorte zu verwenden. The Verge zeigt am Beispiel der Software Plex, dass das illegale Abgreifen von solchen Inhalten längst einen Komfortgrad erreicht hat, wie ihn auch die kommerziellen Seiten bieten.

Plex-Entwickler gegen Piraterie

Vorausschickend muss gesagt werden, dass Plex – eine Abspaltung des heute als Kodi bekannten Xbox Media Center (XBMC) – an sich ein völlig legales Produkt ist. Die Software besteht aus einem Server, der Medieninhalte aus verschiedenen Quelle organisieren kann und einem Client, der das "Sortiment" übersichtlich präsentiert.

Dabei wird seitens des Programms freilich kein Unterschied gemacht zwischen legal und illegal bezogenen Medien. Die Entwickler selbst betonen, dass sie Piraterie nicht unterstützen.

Eingeschworene Gemeinde

Ein mit Plex eingerichteter Server muss nicht ausschließlich privat verwendet werden. Es ist auch möglich, anderen Usern Zugang dazu zu geben. Diese können dann über ein lokales Netzwerk und ebenso auch über das Internet auf die Inhalte zugreifen. Teilweise gibt es auch Communities, die dies schon seit vielen Jahren betreiben.

Zitiert wird etwa eine Nutzerin namens Liz. Sie gehört zu einer Internetcommunity, die es seit den 1990ern gibt. Diese betreibt gemeinschaftlich einen Plex-Server, der regelmäßig mit neuem Filmen und Serien aktualisiert wird. Man bleibt unter sich, die meisten Leute kennen sich von damals und seit Jahren sollen auch keine neuen User eingeladen worden sein. Die Mitgliedschaft ist durchaus wertvoll. In einem Fall soll ein Teilnehmer versucht haben, seine Zugangsdaten um 1.000 Dollar im Netz zu verkaufen, die Admins fanden allerdings schnell heraus, wer es war, und sperrten ihn.

Lückenfüller

Ein anderer User, Shawn, suchte nach einer einfachen Lösung für sein Heimkino. Plex dient mittlerweile nicht nur für seinen privaten Bestand an Videos und den schnellen Zugang zu Aufnahmen von familiären Ereignissen, sondern füllt auch die Lücken zwischen Netflix, Amazon und gekauften Inhalten von iTunes. Dazu ermöglichen die Server ihm auch den Zugang zu Nischeninhalten, die kaum wo zu finden sind.

Auch bei Andrew verhält es sich ähnlich. Er zahlt bereits für Netflix, Amazon und Hulu, weigert sich aber, extra für Star Trek: Discovery zusätzlich Geld an CBS zu zahlen oder nur wegen der Serie Chernobyl HBO zu abonnieren. Er sieht die Plex-Server als das "essenzielle Gegenmittel" zur fortschreitenden Fragmentierung des Streamingsektors. Dass ihr Handeln eigentlich illegal ist, darüber sind sich alle zitierten Personen bewusst.

Menschlicher als Netflix und Co.

Ein essenzieller Unterschied zu den kommerziellen Anbietern ist auch, dass viele Plex-Server funktionieren wie private Clubs. Die Anzahl der Mitglieder ist überschaubar, in der Regel ist man untereinander bekannt.

Und die gemeinsame Pflege der Inhalte lässt den Dienst viel menschlicher wirken, als Netflix und Co. – trotz aller personalisierter Empfehlungen. Freilich: Ganz ohne "klassischer" Piraterie kommen auch diese Gemeinschaften nicht aus, denn irgendwer muss die neuen Filme und Serien herunterladen, bevor sie am gemeinschaftlichen Server landen. (red, 13.09.2019)