Gauche, Partymucke als Kapitalismuskritik.

Foto: Merge

Everybody tries to win/ Look who gets away with sin/ White men get away!" Am Ende dieses zornigen Albums steht nicht nur die Absage an ein System, von dem man in den Hinterhöfen von Washington DC tatsächlich immer nur den Podex des POTUS_im Weißen Haus sieht. Wie A People‘s History Of Gauche, der Albumtitel von Gauche verrät, handelt es sich bei diesen elf Songs auch um eine "Geschichte von unten aus linker Sicht".

Nicht allein das französische Synonym für die politische Linke als Bandname aber, im Englischen allerdings auch für "linkisch" gebraucht, erweist sich als très chic. Auch musikalisch wird dank sorgfältigen Studiums der Geschichte von New Wave und Postpunk aufgearbeitet, was heute dringlicher denn je Saison hat.

Vorbilder im britischen Postpunk

Das sich aus Mitgliedern von neuen, immergrünen Punksachwaltern wie den Priests und den Downtown Boys zusammensetzende Kollektiv beruft sich neben überdrehtem, bewusst zickigem Gesang (hauptsächlich von Priests-Schlagzeugerin Daniele Yandel) auf trockene Gitarrenriffs, trötendes Saxofon und eine zackige Rhythmusgruppe, wie man sie wahlweise schon vor 40 Jahren bei historischen HeldInnen wie den weiblich dominierten britischen Gründerfrauenbands X-Ray Spex, Raincoats oder Slits (immer mitgedacht auch Gang of Four) – und von der Partymucke her gesehen bei den B-52s oder Devo aus den USA hören konnte.

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Dabei wird nicht auf den gerechten Zorn des Dillettanten und harsche Lärmattacken auf gesellschaftlich durch Machos belasteten Gitarren vergessen. Der Ansatz, die gesellschaftlichen Zustände und Verheerungen zum Tanzen zu bringen, ist also nicht ganz neu. Es nimmt tollen Stücken wie History über Kolonialisierung und Ausbeutung aber auch ein wenig das Sauertöpfische: "You have a history of conquering what is not yours... Your discourse smothers me, it covers me, it smothers me..."

Gute Laune, böses Spiel

Grundsätzlich verhandeln die Texte harte Suppe wie die angestrebte Zerschlagung des Patriarchats, den politischen Widerstand gegen Ausbeutung, Kapitalismuskritik, Gender-Issues, Feminismus. Gute Laune, böses Spiel.

Man kann in prekären Lebensverhältnissen auch einmal tanzen: "Income, always think about payday, waiting on wages, always think about systems..." Und: "I know, I can‘t survive like this!" Gleich morgen auf der To-do-List: Flagge verbrennen, Regierung ertränken, abends in die Disco. (Christian Schachinger, 24.7.2019)