Das Zerstörungswerk bei der Firma Reisswolf wurde am 23. Mai vollbracht. Fünf Tage zuvor trat Strache zurück, vier Tage danach wird die Kurz-Regierung per Misstrauensantrag abgewählt.

Foto: Falter

Dem ÖVP-geführten Kanzleramt konnte es mit der Vernichtung der Datenträger gar nicht schnell genug gehen. Woher die Eile kam, erschließt sich nicht ganz. Ein Zeitstrahl der Ereignisse von Ibiza bis zum Silicon Valley:

17. Mai: Ibiza-Video

Am Abend veröffentlichen Spiegel und Süddeutsche Zeitung jenes Video, das die österreichische Innenpolitik auf den Kopf stellt. Es zeigt FPÖ-Chef Strache und Klubobmann Gudenus, als sie im Sommerurlaub 2017 Kronen Zeitung und Bauaufträge an eine vermeintliche russische Oligarchin verschachern wollen.

18. Mai: Strache-Rücktritt und Koalitionsende

Zu Mittag gibt Vizekanzler Strache seinen Rücktritt bekannt. Er spricht von einem "politschen Attentat". Am Abend beendet Bundeskanzler Kurz die türkis-blaue Koalition. "Genug ist genug", findet Kurz.

20. Mai: FPÖ verlässt Regierung

Die Liste Jetzt kündigt einen Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler an. Kurz selbst schlägt Bundespräsident Van der Bellen die Entlassung von Innenminister Kickl vor, woraufhin die blauen Minister die Regierung verlassen. Vier neue Minister werden daraufhin am 22.5. angelobt.

22. Mai: "Maisinger" am Apparat

Unter dem falschen Namen "Walter Maisinger" ruft ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramts bei der Entsorgungsfirma Reisswolf an. Sein Wunsch: Datenträger vernichten. Tags darauf erscheint er bei Reisswolf und lässt fünf Festplatten schreddern. Zur Sicherheit gleich dreifach.

26. Mai: SPÖ-Beschluss für Misstrauensantrag

Nach langem Abwägen legt sich die SPÖ beim abendlichen Parteipräsidium auf einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung fest und geht damit weiter als die Liste Jetzt.

27. Mai: Kein Vertrauen für Kurz

Der SPÖ-Misstrauensantrag ist durch die Unterstützung von FPÖ und Liste Jetzt erfolgreich. Der somit als Kanzler abgewählte Sebastian Kurz begibt sich ins Wiener Springer-Schlössl, um dort vor seiner Anhängerschar zu sprechen. Diese Szenen sehen auch die Reisswolf-Mitarbeiter im Fernsehen. Im Hintergrund entdecken sie zu ihrer Überraschung Arno M. – jenen Mann, der sich als "Maisinger" am Schredder betätigt hat.

3. Juni: Angelobung der Regierung Bierlein

Mit Brigitte Bierlein wird Österreichs erste Kanzlerin angelobt. Die ÖVP_muss das Kanzleramt räumen und die Ministerbüros an die neue Expertenregierung übergeben.

17. Juni: ÖVP beklagt "Fälschungsskandal"

In einer Pressekonferenz bringt Kurz einen vermeintlichen E-Mail-Fälschungsskandal an die Medien. Es werde versucht, die ÖVP in die Nähe des Ibiza-Videos zu rücken, beklagt er.

Ca. 16. Juli: Soko Ibiza übernimmt

Nachdem Arno M. die Schredder-Rechnung monatelang nicht bezahlt und Mahnungen ignoriert hat, wird die Firma Reisswolf endgültig stutzig. Ihr Chef wendet sich an die Korruptionsstaatsanwaltschaft – die Soko Ibiza übernimmt den Fall.

18. Juli: Wohnungsdurchsuchung bei Arno M.

Die Polizei taucht in der ÖVP-Zentrale auf. Sie nehmen Arno M. mit, um dessen Wohnung zu durchsuchen, wo sie vernichtetes Beweismaterial vermuten.

20. Juli: "Kurier" berichtet von einer Festplatte

Die Tageszeitung Kurier bringt die Geschichte an die Öffentlichkeit, zunächst ist allerdings nur von einer Druckerfestplatte die Rede.

22. Juli: Kurz sieht "üblichen Vorgang"

Bei seinem Aufenthalt im Silicon Valley äußert sich Kurz zur Reisswolf-Affäre. Es sei üblich, bei einem Regierungswechsel Druckerdaten zu vernichten. "Nicht korrekt" sei hingegen die Zahlungsmoral des Mitarbeiters.

23. Juli: "Falter"-Video

Der Falter veröffentlicht ein Überwachungsvideo, das Arno M. beim Schreddern zeigt. Es wird klar, dass in Wahrheit fünf Festplatten zerstört wurden.

(ta, 24.7. 2019)