Peter Pilz bringt jetzt auch Gernot Blümel ins Spiel

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Schredder-Affäre, Zoom-Internetplattform mit halbseidenen Drogen-Verdächtigungen gegen Sebastian Kurz: Die ÖVP und der Ex-Kanzler sind in der Defensive und haben sich einigen Erklärungsbedarf eingehandelt. Aber kann die Affäre um geschredderte Akten aus dem Kanzleramt Sebastian Kurz tatsächlich in der Wählergunst schaden? Politikwissenschafter Peter Filzmaier sagt: "Nach jetzigen Stand nicht." Das Meinungsbild in der Bevölkerung richte sich eher gegen alle drei größeren Parteien. Wie bei den Parteifinanzierungen, nach dem Motto: Machen eh alle.

Ändern könnte sich das Bild nur, wenn mehr Substanz ins Spiel komme, wenn Sebastian Kurz persönlich involviert sei und nachgewiesen werde, dass er selbst von den Vorgängen gewusst habe. Noch aber gehe die "Schredder-Causa" nicht über eine Bubble-Diskussion hinaus und werde wohl wenig am 15-Prozent-Vorsprung von Sebastian Kurz ändern. Man dürfe auch nicht vergessen: Die Silberstein-Affäre habe letztendlich nur marginale Auswirkungen auf das Wählerverhalten gehabt, sagt Filzmaier im Gespräch mit dem STANDARD.

Türkise Themen überlagert

Nachteilig sei für die ÖVP jetzt nur, dass die Schredder-Affäre andere Themen, die die ÖVP gerne spielen würde, überlagere.

Auch der Meinungsforscher Werner Beutelmeyer vom Linzer Market-Institut bezweifelt, dass sich die Schredder-Affäre auf das Wahlergebnis auswirken wird. "Gut ist das natürlich nicht, wenn solche Sachen öffentlich diskutiert werden – aber wenn da nicht noch was nachkommt, glaube ich nicht, dass das eine große Tragweite bekommt." Solche Diskussionen beschäftigten vor allem Politik-Insider. Bei den meisten Medienkonsumenten bleibe wohl nur hängen, dass Daten vernichtet wurden, damit sie nicht dem politischen Gegner in die Hände fallen. Und daran werde man kaum Anstoß nehmen.

Anders sei das bei der Parteifinanzierung. Diese habe ohnehin keinen guten Ruf, und die Diskussion löse Unbehagen aus. Das schade allen Parteien, vor allem aber der ÖVP. Diese These hatte der Meinungsforscher Peter Hajek bereits im Juni vertreten, als das Parteispendenthema in die Diskussion gekommen war.

Ein gefundenes Fressen ist die Causa Reisswolf aber jedenfalls für die Opposition. Die Erklärungsversuche der ÖVP, weswegen Festplatten des Bundeskanzleramts heimlich durch den Schredder gejagt wurden, prallen an den Mitbewerber ab. SPÖ, FPÖ, Jetzt sowie Grüne kritisieren das Verhalten der einstigen Regierungspartei scharf.

SPÖ hält ÖVP für unglaubwürdig

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wendete sich am Mittwoch dann auch via Video ans Volk: Sie verstehe sich als "Sprachrohr der Menschen", wenn sie "klare und rasche Aufklärung" fordere, sagt sie da. "Schluss mit Vertuschung und dem Schweigen." Ihr Wahlkampfmanager Christian Deutsch zieht außerdem in Zweifel, dass es sich um eine Aktenvernichtung im Zuge des Regierungswechsels gehandelt habe. Das sei allein aufgrund des Zeitpunkts der Schredder-Aktion – nämlich bereits vier Tage vor dem erfolgreichen Misstrauensantrag – nicht glaubwürdig.

Man muss dazu sagen: Angekündigt war am Tag der dubiosen Datenvernichtung zumindest bereits, dass die Liste Jetzt Kurz als Kanzler abwählen möchte. Unterstützung von SPÖ und FPÖ für das Vorhaben zeichnete sich langsam ab.

Ähnlich wie die SPÖ argumentiert auch Peter Pilz. Der Jetzt-Abgeordnete ortet in der Schredder-Affäre aber außerdem einen Konnex zum ehemaligen Kanzleramtsminister Gernot Blümel. Dessen Referent soll den Auftrag zur Vernichtung von fünf Festplatten gegeben haben, glaubt Pilz. Es handle sich um Vernichtung staatlichen Eigentums, betont der Listengründer. Jetzt strebt schnellstmöglich eine Sondersitzung des Nationalrats an, wofür aber – wegen der Sommerpause des Parlaments – zumindest die Stimmen von SPÖ und FPÖ nötig sind.

FPÖ und Grüne: wollen U-Ausschuss

Sowohl SPÖ als auch FPÖ finden es allerdings noch zu früh für eine Sitzung, wie aus den jeweiligen Klubs zu hören ist. Beide Fraktionen verwiesen auf die zahlreichen Anfragen an die Regierung zu diesem Thema, die nun eingebracht wurden. Somit ist eine Sitzung wohl frühestens im August denkbar.

Einen anderen Vorschlag haben die Grünen, die aufgrund ihres Fehlens im Parlament an der Sitzung ohnehin nicht teilnehmen könnten: Bundessprecher Werner Kogler forderte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in der Causa.

Auch der freiheitliche Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein, Fraktionsführer der FPÖ im BVT-Ausschuss, will das "Schredder-Gate" in einem kommenden U-Ausschuss behandeln. "Gemeinsam mit den Fragen zur Ibiza-Urheberschaft" und der Untersuchung "schwarzer Netzwerke" in Justiz und Exekutive könne sich daraus ein "U-Ausschuss nach meinem Geschmack" ergeben, sagt Jenewein. (Katharina Mittelstaedt, Walter Müller, Conrad Seidl, 25.7.2019)