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Boris Johnsons erste Stunden in der Downing Street lassen nichts Gutes ahnen. Das brutale Abschlachten seines letzten innerparteilichen Rivalen Jeremy Hunt sowie von dessen Unterstützern wirkt rachsüchtig und kurzsichtig. Wie will Johnson seine Partei, geschweige denn das Land einen, wenn er die Liberalkonservativen geschlossen auf die Hinterbänke der Fraktion schickt und sich im Kabinett ausschließlich mit Brexit-Ultras vom rechten Flügel umgibt? Hinzu kommt, dass das Land mitten in der politisch-militärischen Krise am Persischen Golf sowohl Außen- wie Verteidigungsminister auswechselt. Verlässlichkeit sieht anders aus.

In seiner merkwürdig unstrukturierten Rede wiederholte der neue Premierminister nicht nur die Parolen vom Brexit um jeden Preis ("no deal"). Er machte auch, sozusagen vorab, die EU für das Scheitern neuer Verhandlungen verantwortlich, denunzierte die Auffanglösung für Irland als "undemokratisch" und drohte damit, Großbritannien werde seine vertraglichen Zahlungsverpflichtungen nicht einhalten. So wird sich das angeblich angestrebte "herzliche und warme" Verhältnis zu den EU-Verbündeten nicht einstellen.

Innenpolitisch sprach Johnson von neuen Initiativen für die "vergessenen Menschen und vernachlässigten Städte". Gemeint sind jene Regionen, vor allem in Mittel- und Nordengland, in denen viele Menschen mit dem Brexit-Votum vor allem ihrem Frust über die Londoner Regierung Ausdruck verliehen. Kann es Zufall sein, dass die Brexit Party des Marktschreiers Nigel Farage nicht nur dem No Deal das Wort redet, sondern auch Milliardeninvestitionen für "den Rest" des Landes jenseits von London und seinem Speckgürtel fordert? Der neue Premierminister zieht seine Partei und die Regierung nach rechts auf das Terrain der Brexit Party. Im Amt ist seit Mittwoch Boris Farage. (Sebastian Borger aus London, 25.7.2019)