Geteilte Hausarbeit ist halbe Hausarbeit? Für viele Paare gilt das bis heute nicht – die finanziellen Folgen spüren Frauen spätestens im Alter.
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Zweieinhalb Stunden. So viel Zeit mehr verbringen Frauen täglich im Vergleich zu Männern mit Hausarbeit, Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung oder Vereins- und Wohltätigkeitsarbeit, sprich mit unbezahlter Arbeit. Das zeigt eine aktuelle Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Frauen arbeiten in den untersuchten 41 Industriestaaten – darunter 28-EU-Staaten – durchschnittlich 266 Minuten gratis, Männer 108 Minuten. Rechnet man Lohnarbeit und unentgeltliche Arbeit zusammen, arbeiten Frauen 55 Stunden und Männer 49 Stunden – und stehen trotzdem am Ende mit deutlich weniger Geld da, was sich spätestens bei der Höhe ihrer Pensionen deutlich zeigt. Darauf macht der Equal Pension Day aufmerksam, der heuer auf den 29. Juli fällt und symbolisch aufzeigen will: An diesem Tag haben männliche Pensionsbezieher schon so viel Pension bekommen, mit der Frauen das ganze Jahr auskommen müssen. Konkret mit 42 Prozent weniger.

Zur Lohnkluft von 19,9 Prozent (Vergleich der Bruttostundenverdienste) hinzu kommen die unbezahlte Arbeit und eine Teilzeitquote bei Frauen von 47,7 Prozent, die die Pensionen von Frauen klein halten und ihre Armutsgefährdung in die Höhe treiben. Deshalb wollen die meisten EU-Staaten genau wissen, wie und was Männer und Frauen arbeiten und ob sich ihre Arbeitsaufteilung im Laufe der Zeit verändert.

Im Fünfzehnminutentakt

Das lässt sich am besten mit einer sogenannten Zeitverwendungserhebung beobachten, die genau aufzeigt, womit Menschen ihren Tag verbringen. Für eine solche Studie werden Personen mittels einer Ziehung ausgewählt, die für eine Teilnahme angefragt werden. Ein Jahr lang müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jede Woche an einem Werktag und an einem Wochenendtag im Fünfzehnminutentakt auf einem vorgefertigten Bogen protokollieren, was sie gerade tun: im Büro arbeiten, das Kind von der Schule abholen, Wäsche aufhängen, bügeln, fernsehen und wie lange sie schlafen. Damit auch saisonale Tätigkeiten wie etwa Gartenarbeit erfasst werden, muss die Studie ein Jahr lang laufen.

Beispiel aus der Zeitverwendungserhebung der Statistik Austria aus dem Jahr 2008/09. So mussten die TeilnehmerInnen eintragen, wie sie ihre Zeit verbringen.
Foto: Statistik Austria/Zeitverwendungserhebung 2008/2009

Um Ländervergleiche zu ermöglichen, führt das Eurostat die verschiedenen Zeitverwendungsstudien zusammen. Diese Daten sollten zumindest alle zehn Jahre erhoben werden, damit man nicht mit allzu alten Zahlen dasteht. Doch damit hatte die türkis-blaue Regierung kein Problem, obwohl viele andere EU-Staaten an der neuen Welle der europäischen Zeiterhebungen teilnehmen, die für 2020 ansteht. 2021 und 2022 wird es dann den Europavergleich geben.

Einen Auftrag für eine österreichische Erhebung gibt es nicht, hieß es im Frühjahr aus dem Büro der damaligen Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß. Es gebe bereits Studien zu Teilzeit und unbezahlter Arbeit, auch arbeite man an Projekten für eine "transparente Pensionszukunft", lenkte man Frauenministerium ab. Die aktuellsten Zahlen über die Zeitverwendung der ÖsterreicherInnen stammen somit aus einer Studie von 2008/2009.

Experten und Expertinnen sind sich allerdings einig, dass es regelmäßig neue Zahlen braucht. "Wenn wir keine Daten haben und somit die noch immer ungleiche Verteilung zwischen Vätern und Müttern nicht sichtbar machen, können wir auch nichts dagegen tun", sagt die Ökonomin Katharina Mader von der Wirtschaftsuniversität Wien.

Regelmäßige Aussetzer

In Österreich gibt es allerdings eine andere Regelmäßigkeit: Die zuständigen Ministerien – das Frauen- oder das Sozialministerium – verzichteten immer dann auf einen Auftrag für eine Zeitverwendungserhebung, wenn eine schwarz-blaue und eine türkis-blaue Regierung im Amt war. In diesen Regierungskonstellationen wurden im Jahr 2000 und aktuell im Jahr 2019 die Statistik Austria nicht mit einer Erhebung beauftragt, während sie 1981, 1991 und 2009 unter roten oder rot-schwarzen Bundesregierungen im Zehnjahresrhythmus durchgeführt wurden. Die Kosten für eine solche Erhebung liegen bei rund 200.000 Euro – und sie liefern deutliche Hinweise auf den noch nötigen Handlungsbedarf.

So zeigte die letzte Zeitverwendungsstudie von 2008/2009 etwa, dass Frauen in fast allen Bereichen der Kinderbetreuung mehr Zeit investieren – von der Körperpflege übers Lernen, Hinbringen und Abholen von den Kindergärten und Schulen bis hin zum allgemeinen Beaufsichtigen und Kuscheln. Nur beim Spielen sind die Väter pro Woche präsenter – das allerdings vorwiegend an Wochenenden und auch nur um fünf Minuten mehr als Mütter.

Ob das 2019 auch noch so ist? Wir wissen es nicht. Die derzeitige Frauenministerin Ines Stilling ist sich der Notwendigkeit solcher Daten aber offenbar bewusst. Im STANDARD-Interview kündigte sie an, sie wolle eine Studie über die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit in Auftrag geben, schließlich hätten sich seit 2008 die Lebensrealitäten verändert, sagt sie. Der Statistikrat der Statistik Austria und andere externe Expertinnen und Experten hätten den Wunsch nach einer aktuellen Analyse der Arbeitsaufteilung zwischen Männern und Frauen geäußert, heißt es auf Nachfrage aus dem Büro der Frauenministerin. Ines Stilling habe deshalb eine interne Prüfung verschiedener Möglichkeiten, wie eine solche Analyse unter den gegebenen budgetären Rahmenbedingungen umgesetzt werden kann, veranlasst. Ob es überhaupt eine solche Studie gibt und ob es sich um eine umfassende Zeiterhebung handelt, ist also noch offen.

Mehrarbeit durch Homeoffice

Doch wie viel sich in zehn Jahren tut, zeigen allein die digitalen Umwälzungen. In Deutschland verzeichnete man zwischen 2018 und 2019 einen zehnprozentigen Anstieg von Telearbeit, ein Trend, der auch die Organisation der Familienarbeit beeinflusst. Wer macht zu Hause was, wenn die Lohnarbeit vom Homeoffice aus verrichtet wird? Die Karten könnten neu gemischt werden. Doch eine Studie zeigte erst kürzlich, dass das mit Homeoffice oft verknüpfte Versprechen auf eine Entlastung für Frauen nur sehr begrenzt eingelöst wird.

Mütter wenden durch Homeoffice pro Woche drei Stunden mehr für Betreuung ihrer Kinder auf als Mütter, die nicht von zu Hause aus arbeiten, fand die deutsche Hans-Böckler-Stiftung heraus. Gleichzeitig leisten sie durch Lohnarbeit von zu Hause auch eine Überstunde mehr als Mütter, die ins Büro gehen. Ein anderes – und sehr traditionelles Bild – zeigt sich bei den Vätern: Sie leisten mit Homeoffice zwei Überstunden mehr – doch nehmen sich im Gegensatz zu den Müttern nicht mehr Zeit für Kinderbetreuung. Solange das so bleibt, wird sich auch am Gender Pension Gap nicht viel ändern. (Beate Hausbichler, 28.7.2019)