Netta Or in der Rolle der Varietésängerin Sylva Varescu, vulgo Csárdásfürstin.

K.-M. Westermann

Es ist Sommer. Und in der Hitze lebt die Operette auf. Und in Langenlois – unter der Ägide des scheidenden Intendanten und Dirigenten Andreas Stoehr – wirkt sie entstaubt und munter. In diesem Jahr gilt es, Kálmáns Die Csárdásfürstin umzusetzen. Es spielt das Wiener Kammerorchester, es inszeniert Rudolf Frey.

Es ist die Geschichte einer Liebe zwischen einer Varietésängerin und dem juvenilen Fürsten Edwin, geschrieben in dramatischer Zeit, Kálmán und die Librettisten begannen 1914 zu dichten: "Nach Beendigung des ersten Aktes ist Österreich-Ungarn in den Wahnsinn eines Weltkrieges geschlittert. Nach einem Jahr der Unterbrechung setzen sie die Arbeit am Stück fort und vollendeten es, ohne zu wissen, ob die Welt danach noch dieselbe sein wird", erzählt Regisseur Frey.

Er sieht im Werk allerlei Empfindungen rund um das Thema Abschied abgebildet: "Glückseligkeit und Trauer, Hochgefühl und Melancholie liegen in dieser Welt unmittelbar nebeneinander." Edwin wolle der aristokratischen Konvention seines Elternhauses "entfliehen und sehnt sich nach einem Leben als Bohemien in der Welt der Künstler".

Sterbende Donaumonarchie

Diese Parallelgesellschaften spiegle das Stück eindrucksvoll, findet Frey, der Sylva als Kern des Werkes sieht. In ihr zeige sich das Temperament "ihrer rumänischen Vorfahren nebst einem übergroßen Gefühl: einem Glauben an die Liebe als umfassende Kraft jenseits aller Konventionen. Dieser Punkt wird schließlich die schmerzvolle Probe der Beziehung zwischen ihr und Edwin." Alles stehe aber inmitten einer sterbenden Welt, dem Reich der Donaumonarchie.

Dazu passen Worte aus Joseph Roths Radetzkymarsch: "Die Monarchie ist ein alter Mann, dem Tode geweiht und von jedem Schnupfen gefährdet. Sobald der Kaiser niest, zerfällt unser Reich in hundert Stücke." Die Csárdásfürstin sei jedoch keineswegs ein düsterer Abgesang. Sie leuchte in satten Farben, "die Figuren sprühen vor Über-Lebensdrang, und die Wehmut hält sich mit dem Humor die Waage." Diese Ambivalenz sei die wahre Qualität der Gattung Operette. (tos, 26. 7. 2019)