Vor dem Firmensitz: ein Relaxing-Areal mit Sandstrandidylle und Beachvolleyballfeld.


Foto: Alexander Danner

Drinnen warten derzeit mehr als eine Million Produkte auf die europaweite Auslieferung.

Foto: Alexander Danner

Vorbei an Kukuruzfeldern und ausladenden Trauerweiden, die oststeirische Landstraße bei Feldbach, durch die sich soeben ein slowenischer Tieflader quält, entlang und dann rechts rein nach Saaz. Völlig unerwartet breitet sich eine Sandstrandidylle mit Palmen aus, daneben eine Beachvolleyballarena.

Unter dem großen Sonnensegel, die Füße im Sand und eine Zigarillo in der Hand, wartet der Hausherr, Roland Fink, im Strandliegestuhl. Hinter ihm sein ganzer Stolz: das fast nagelneue Firmengebäude seines Onlineversandunternehmens "Niceshops", das in der Gegend unter "steirisches Amazon" läuft.

Fink hat hier in diesem abgelegenen 340-Einwohner-Dorf in den letzten Jahren ein originelles Onlineshopunternehmen aufgebaut, im Lager stapeln sich 1,1 Millionen Artikel, knapp 9000 Pakete aus 40 getrennten Onlineshops verlassen täglich das Firmengelände. "Zwei Millionen Kunden werden weltweit versorgt", sagt Firmengründer Fink – mit Produkten, deren Palette bei Naturkosmetik, Swimmingpools, Pferdefutter beginnt und sich bis zu Bewässerungsanlagen, Lederhosen und Frischfleisch aus dem Vulkanland, das in Kühlboxen geliefert wird, spannt.

Der gesamte Logistikablauf wird von hier im oststeirischen Dorf abgewickelt. "Innerhalb von 24 Stunden sind die Produkte vor Ort", verspricht Fink. Auch in Madrid oder sonst wo in Europa.

Das Konzept scheint stimmig zu sein, immerhin hat sich kürzlich der deutsche Handelsriese Müller mit 26 Prozent eingekauft und damit den Standort die nächsten Jahre abgesichert. Eine neue Halle ist bereits in Planung.

Der Konzern in der Provinz

Die Handelskette beschäftigt rund 34.000 Mitarbeiter, die jährlich an die vier Milliarden Euro umsetzen. Dass sich die deutsche Konzernspitze hierher in die tiefste steirische Provinz bequemte, hat das Selbstbewusstsein der Niceshops-Geschäftsführer – Fink teilt sich die Firmenleitung mit einem Partner und einer Partnerin – einigermaßen beflügelt.

"Der Standort spielt eigentlich keine Rolle, wir merken massiv, dass jetzt Leute sogar wieder heim in ihre Region kommen", sagt Fink. Die Jobangebote sind zum Teil im höheren Qualitätssegment angesiedelt. Aktuell steht auf der Jobangebotsliste unter anderem: Software-Maintainer, Big-Data-Engineer, Senior Backend-Developer. "Personal zu bekommen ist eigentlich kein Problem", sagt Fink, "die Stellen können wir binnen kurzer Zeit besetzen."

Gut, die Benefits bei Niceshops sind ja auch nicht ohne: kostenloses Slow-Food-Mittagessen, 1000 Euro Kinderbetreuungszuschuss, Gesundheitstraining, günstige Massagen, freitags ab Mittag Freibier und vor der Tür ein Beachvolleyballfeld.

Der Großteil der momentan 160 Mitarbeiter kommt aus der Region, aber auch aus Slowenien, Ungarn oder Italien. "Man darf nicht übersehen, dass wir uns hier im Grenzbereich zu Ungarn und Slowenien befinden, das sind unsere direkten Nachbarn und Hauptmärkte. Von daher betrachtet, ist die Sache mit dem Standort auch anders zu betrachten. Wir denken immer nur innerösterreichisch. Ungarn ist bei uns gleich um die Ecke, und da liefern wir täglich hin", sagt Fink.

Der einzige Nachteil hier, abseits der Metropolen, "ist natürlich das Standing". "In Berlin hast du natürlich mehr Möglichkeiten, vor allem bei der Finanzierung." Denn bei den kleinen Regionalbanken sei kein Risikokapital zu erwarten. Das hat sich mit dem Müller-Einstieg aber ohnehin erledigt. "Es kommt immer am Ende des Tages auf das Produkt und die Qualität drauf an. Das ist das, was zählt: Service und Qualität."

Der Beginn im Keller

"Angefangen hat alles 2007 als Hobby", erinnert sich Fink. "Ich komme aus dem Beratungsumfeld und wollte zeigen, wie das mit dem E-Commerce funktioniert." Er habe es zuerst mit Nahrungsergänzungsmitteln versucht. "Die Schwiegermama hat die Packerln gemacht, im Keller." Das Geschäft lief so gut, dass nach und nach neue Produkte dazukamen. "2011 ist die Firma so groß geworden, dass auch ich davon leben konnte. Es sind in den letzten Jahren viele neue Shops und Marken dazugekommen – und jetzt sind wir da, wo wir stehen", sagt Fink.

Neuer Versuchsballon

Sein Team habe sich in den letzten Jahren viel technisches Know-how angeeignet und auch neue Verbindungen zwischen On- und Offlinehandel getestet. In Graz steht mittlerweile ein "Offlinegeschäft", das in den Onlinehandel integriert werden soll. Ein Versuchsballon.

Die von Niceshops entwickelten Tools haben jedenfalls den deutschen Handelsriesen Müller überzeugt, dieser will seinen Onlinehandel jetzt über das oststeirische Portal neu aufstellen. "Es ist für uns eine extrem spannende Zeit, weil sich jetzt viele Firmen anstellen", sagt Fink und zieht genüsslich an seiner Zigarillo. (Walter Müller, 26.7.2019)