Bewirkte eine Trendwende in der Familienberatung: Jesper Juul.

Foto: Anne Kring

Trauer um den bekannten dänischen Familientherapeuten Jesper Juul: Der Bestsellerautor ist am Donnerstag, den 25. Juli friedlich in seinem Haus in Dänemark eingeschlafen. Das meldet das von ihm gegründete Elternberatungsprojekt Familylab mit Verweis auf seinen Sohn Nicolai Juul. Zuvor war der 71-Jährige, der seit Jahren an einer neurologischen Erkrankung litt und auf den Rollstuhl angewiesen war, im Krankenhaus wegen einer Lungenentzündung behandelt worden.

Juul schrieb jahrelang sehr erfolgreich als Kolumnist, u. a. auch für den STANDARD, und beantwortete Fragen zu Erziehung, Partnerschaft und Familienleben. Seine Beiträge zu Themen wie "Kinder müssen sich langweilen" oder "Wie Eltern ihre Kinder mit kindischem Verhalten verletzen" waren unter den Leserinnen und Lesern sehr beliebt und lieferten teilweise auch kontroversiellen Gesprächsstoff im STANDARD-Forum.

Neues Paradigma

Der Humanist hat in den vergangenen Jahrzehnten ein neues Erziehungsparadigma formuliert, das Kinder in ihrer Entwicklung und Sozialisierung unterstützt und einem Grundsatz von Gleichwürdigkeit und Respekt folgt. Er war der Überzeugung, dass jedes Kind von Geburt an kompetent ist und die Vorbildwirkung der Eltern eine entscheidende Rolle spielt. In der Erziehungsberatung begründete er damit eine Trendwende. Kinder fördern und als eigenständige Persönlichkeiten zu betrachten, statt sie ständig zu ermahnen, war eine wichtige Grundregel. Damit hat er eine Erziehungsphilosophie etabliert, die zwischen autoritärem und antiautoritärem Stil angesiedelt ist und Kommunikation in der Familie und Kooperationsbereitschaft von Kindern in den Mittelpunkt rückt. Er war auch überzeugt, dass überbehütete Kinder vernachlässigte Kinder sind.

Juul galt als einflussreichster Familientherapeut Europas, seine Philosophie war über die Grenzen hinaus bekannt und erreichte ein Millionenpublikum. Viele seiner zahlreichen Bücher, darunter Leitwölfe sein. Liebevolle Führung in der Familie oder Liebende bleiben. Familie braucht Eltern, die mehr an sich denken, wurden zu internationalen Sachbuchbestsellern.

Gründung von Familylab

Jesper Juul wurde 1948 in der dänischen Hafenstadt Vordingborg geboren. Nach dem Schulabschluss fuhr er u. a. als Jungkoch für eine dänische Reederei zur See und arbeitete als Tellerwäscher, Barkeeper und Hilfsarbeiter. Er studierte Geschichte, Religionspädagogik und europäische Geistesgeschichte. Statt die Lehrerlaufbahn einzuschlagen, nahm er eine Stelle als Heimerzieher und später als Sozialarbeiter an und ließ sich in Dänemark, den Niederlanden und den USA als Familientherapeut ausbilden.

2004 gründete er das Elternberatungsprojekt Familylab International, das eigenständige Ableger in ganz Europa hat, darunter das Familylab in Wien. Die Labs, deren Leiter von ihm selbst ausgebildet wurden, bieten Seminare und Beratung an, die seine Arbeit fortführen. (Marietta Adenberger, 26.7.2019)