foto: fb-seite saalbach-hinterglemm

Salzburg –"Home of lässig" – so lautet der Werbespruch der Tourismusgemeinde Saalbach-Hinterglemm im Salzburger Pinzgau, die mit 2,3 Millionen Nächtigungen im Jahr zu den ganz großen Playern in der Branche gehört. Etwas weniger "lässig" reagierte die Saalbacher Gemeindepolitik freilich, als vor einigen Tagen ein Obdachloser im Tal auftauchte.

Per Mail wurden die Betriebe und Gemeindebürger gewarnt: "Im Gemeindegebiet von Saalbach-Hinterglemm hält sich derzeit eine unterstandslose Person auf, welche sich mittels Betteln über Wasser hält. Wir bitten die Bevölkerung darum, dieser Person keine Lebensmittel oder Geld zu übergeben. Leider gibt es aus polizeilicher Sicht keine Handhabe gegen ihn. Ebenso wird gebeten, die Haustüren und Fenster zu verschließen, um einen unerwünschten Besuch oder Übernachtung zu verhindern."

Verbreitet wurde die Mail von "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk via Twitter.

Gemeinde auf Tauchstation

Die Gemeindepolitik ging Freitagvormittag nach Bekanntwerden der Mail auf Tauchstation. Nachdem über verschiedenste soziale Medien und via Mail ein wahrer Shitstorm über Saalbach-Hinterglemm hereingebrochen war, schaltete man Freitagmittag sogar kurzzeitig die Telefonanlage in der Gemeindevertretung ab.

Mehrmalige Anfragen des STANDARD zur Causa blieben unbeantwortet. Erst Freitagnachmittag wurde zumindest einmal die Echtheit der Mail bestätigt. Der Telefondienst verwies auf eine Krisensitzung der Verantwortlichen und eine später folgende Stellungnahme. Dass auch Freitagnachmittag vonseiten der Kommune nicht inhaltlich reagiert werden konnte, hängt laut Mitteilung der Amtsleiterin mit der urlaubsbedingten Abwesenheit des Bürgermeisters zusammen, mit dem eine Stellungnahme abzustimmen sei.

Plattform für Menschenrechte

Barbara Sieberth, Sprecherin der Plattform für Menschenrechte Salzburg, ist über das Vorgehen der Gemeinde empört: "Auf soziale Notfälle sollte man mit sozialen Angeboten reagieren. Auch die Gemeinde Saalbach-Hinterglemm kann kompetente Einrichtungen wie die Caritas beiziehen. Mit dem Schüren von Ängsten werden Gemeindevertretung und Polizei ihrer Verantwortung in keiner Weise gerecht."

Polizeistellungnahme: Ladendiebstahl

Die Polizei teilte Freitagnachmittag dann mit, dass es sich um einen 36 Jahre alten Ungarn handle. Dieser habe wiederholt Ladendiebstähle in Lebensmittelgeschäften begangen, diese könnten aber, da vonseiten der Geschädigten keine Ermächtigung vorgeliege, nicht verfolgt werden. Die Beamten hätten dem Unterstandslosen bei sämtlichen polizeilichen Amtshandlungen Hilfe angeboten, wie unter anderem eine Vermittlung an die Caritas. Der Ungar habe aber abgelehnt. Außerdem habe er sich widerrechtlich Zugang in offene Häuser und Wohnungen verschafft, deshalb habe man die entsprechende Information an die Gemeinde weitergegeben.

Bürgermeister distanziert sich von Aussendung

Bürgermeister Alois Hasenauer (ÖVP) hat sich dann Freitagnachmittag aus dem Urlaub gemeldet und hat sich vom Inhalt der ursprünglichen Aussendung distanziert. Der Text sei von der Polizei vorgefertigt übernommen worden: "Für den Inhalt und die getätigten Aussagen des Schreibens trägt die Polizei die Verantwortung. Ich räume ein, dass ein solcher Inhalt keinesfalls über den Verteiler einer Gemeinde kommuniziert werden kann. Es wurde ein Fehler begangen. So gehen wir in Saalbach-Hinterglemm nicht mit Hilfe suchenden Menschen um."

Und Hasenauer weiter: "Ich bedaure zutiefst, dass die Situation dermaßen unglücklich verlaufen ist, und so der Eindruck entstand, dass hilfsbedürftige Menschen bei uns keinen Platz haben. Mitmenschlichkeit und Empathie stehen bei uns weit über der Bedeutung von Übernachtungszahlen oder Profit." (Thomas Neuhold, 26.7.2019)