Seit ich in Wien lebe, habe ich eine Vorteilskarte, quasi schon immer. Aber ich bin auch immer bedenkenlos geflogen, wenn die Zugfahrt länger als acht Stunden gedauert hätte: Dieses Jahr viermal, glaube ich, dreimal innerhalb Europas, aus Bequemlichkeit und Zeitmangel.Ich fliege nicht gern. Mir tun Leute leid, die viel fliegen müssen. Nicht weil ich Flugangst habe. Mich nerven Flughafentransfers, Flughäfen, Flugzeugsitze. Mich nervt, dass ich ständig unter brechen muss, was ich gerade tue, um woanders damit weiterzumachen. Mich nervt die Sicherheitskontrolle, mich nervt, dass ich beim Fliegen permanent gemaßregelt werde. Schuhe aus, anschnallen, Sitzlehne hoch, Musik aus.

Wenn sich Fliegen vermeiden lässt, vermeide ich es: Ich steige in einen Zug, setze mich auf einen bequemen Platz mit Bein- und Bewegungsfreiheit und arbeite ein paar Stunden ungestört bei schöner Aussicht. Ich habe kein Verständnis für Menschen, die von Wien nach Innsbruck fliegen.

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Zugfahren ist fein und man kann dabei arbeiten.
Foto: Getty Images/ kaipong

Wenn man den Transfer zum und vom Flughafen und die vielen Wartezeiten addiert, dauert die Reise gleich lang und ist viel unbequemer. Und schließlich die CO2-Bilanz: Ein Kilometer, der mit dem Flugzeug zurückgelegt wird, ist laut dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ) 31-mal so klimaschädlich wie ein Kilometer mit der Bahn. Ich bin bereit, mit dem Zug auch länger unterwegs zu sein als mit dem Flugzeug. Meine Bereitschaft nimmt allerdings rapide ab, wenn ich für eine wesentlich längere Anreise auch noch wesentlich mehr bezahlen muss.

Bahn versus Flugzeug

Für eine fiktive Reise zu zweit nach Brüssel an diesem Wochenende – Freitagfrüh hin, Sonntagabend zurück – würde ich, zehn Tage im Voraus gebucht, pro Person 319 Euro bezahlen: Hin- und Retourflug inklusive zwei Nächten im Vier-Sterne-Hotel, Direktflugzeit: je eine Stunde 45 Minuten. Dieselbe Reise mit der Bahn kostet mit Vorteilscard in der zweiten Klasse pro Person 353 Euro – ohne Unterkunft in Brüssel. Und ohne Liege- oder Schlafwagen (Aufpreis 20 bzw. 40 Euro) bei der nächtlichen Rückfahrt nach Wien, was sich aber bei viermal Umsteigen nicht so recht auszahlt. Insgesamt ist man 23 Stunden und 30 Minuten unterwegs. 353 Euro für eine umsteigeintensive, insgesamt fast 24-stündige Fahrt oder 319 Euro mit insgesamt dreieinhalb Stunden Flug und zwei Nächten in einem guten Hotel: hmm. Tja.

Fliegen nervt, ist aber auf längeren Strecken deutlich günstiger.
Foto: APA/dpa/Roland Weihrauch

Reisebüro empfohlen

Eine reale Brüssel-Reise würde ich allerdings bei meinem Reisebüro buchen. Ja, ich habe ein Reisebüro, und ich empfehle das uneingeschränkt, besonders bei längeren Reisen. Nicht nur weil sie sich um alles kümmern: Reisebüros bekommen bessere Hotels und bessere Reisemöglichkeiten zu besseren Konditionen.

Doris Knecht ist Schriftstellerin und Kolumnistin in Wien. Im Frühjahr 2019 erschien ihr Roman "weg".
Foto: Rosa Knecht

Trotzdem würde auch mein Reisebüro vermutlich keine günstigere Bahn- als Flugreise anbieten können, denn wir wissen ja, wie diese niedrigen Flug- und hohen Zugpreise entstehen: Es liegt vor allem an den Steuern, die für das Flugzeugkerosin nicht bezahlt werden müssen, für den Bahnstrom dagegen schon. Das ist falsch. Das muss sich ändern. Und ich werde weiterhin so selten wie möglich, aber wenn nötig, das Flugzeug wählen. Ich will noch ein bisschen was von der Welt sehen. Und ich finde, dass auch unsere Kinder sie sehen sollten, ohne schlechtes Gewissen. (Doris Knecht, 28.7.2019)

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