Ein Leben ohne Auto – ist möglich und lebenswert. Stadtmenschen betonen dies oft und gern. Man kennt es von Freunden, die seit Jahr und Tag ohne Blechbüchse auskommen. Sie reisen mit Kind und Kegel in den Öffis zum Skifahren, schleppen unverdrossen Sack und Pack für den Sommerurlaub, lassen sich von schweren Rucksäcken, Fahrrädern und anderem unhandlichem Gepäck die Reiselust nicht verderben.

Doch wie fühlt sich Autodiät für jemanden an, der über Jahrzehnte ein Auto vor der Haustür stehen hat? Warum? Weil es bequem ist. Weil man mit dem Nachwuchs Omas und Opas in den Bundesländern besucht. Weil man als Landei aufgewachsen ist, wo das Auto das Maß der Dinge ist. Weil Kauf und Unterhalt leistbar sind. Es finden sich viele Argumente, warum man darauf nicht verzichtet – obwohl man schon lange Stadtmensch geworden ist.

In urbanen Gefilden wie Wien kommt man gut ohne eigenes Auto aus. Das Fahrrad ist seit Jahren das Mittel der Wahl.
Foto: Regina Bruckner

Doch es finden sich auch immer mehr Gründe, das Mobilitätsverhalten zu überdenken. Der Klimawandel zum Beispiel. Autos sind als Verkehrsmittel ineffizient. Sie stehen die meiste Zeit ungenützt herum, und werden sie gefahren, sitzt in den meisten (Riesen-)Kisten eine Person. Was ihre Belastung fürs Klima betrifft, so kommt es auf Größe, Antriebsart und Alter an. Über den Daumen gepeilt ist ein mit Diesel oder Benziner gefahrener Kilometer über 15-mal klimaschädlicher als ein Kilometer mit der Bahn.

Wie man es dreht und wendet: Autofahren ist weniger klimafreundlich als die Fortbewegung mit Öffis. Deswegen der Versuch: Üben in Verzicht, um zu erfahren: Wie gut funktionieren Bahn und Bus über Land? Wie schlägt sich der Autoverzicht im Börsel nieder? Wie hoch ist der Spaßfaktor? Zwei Monate dauerte das Projekt. Ein Selbstversuch, der interessante Erkenntnisse brachte. Einige vorweg: Es war immer unterhaltsamer als mit dem Auto, es dauerte manchmal um vieles länger als mit dem Auto, es war meist günstiger als mit dem Auto, es war oft viel anstrengender als mit dem Auto, und es war immer für Überraschungen in beide Richtungen gut.

Per Bahn von A nach B

Ein Trip mit Erkenntniswert

Mosonmagyaróvár, auf Deutsch Wieselburg-Ungarisch Altenburg, nahe der österreichischen Grenze ist mit dem Auto von Wien aus leicht erreichbar. Bei Österreichern ist das Städtchen beliebt, man geht shoppen, essen oder zur Kosmetikerin. In gut einer Stunde sind die 87 Kilometer auf der A4 und ein paar Landstraßen abgespult. Diesmal wird es die Bahn. Dort fängt, weil ich sie selten nütze, der Stress gleich an. Erwirbt heute jeder vernünftige Mensch sein Ticket via Handy, stelle ich mich in der Infohalle im Wiener Hauptbahnhof an. Immerhin: Ich sehe, dass man ein Ticket zieht, das habe ich manch Gleichgesinnten voraus. Hier braucht man Zeit.

Mit Bahn und Bus reist es sich komfortabel – wenn die Planung stimmt und das Ziel zu den Fahrplänen passt.
Foto: Christian Fischer

Den Zug erreiche ich nur, weil er verspätet ist. Sie lachen, ich lerne: Planen wäre gut. Wie schön, dass so viele Menschen Bahn fahren, bepackt mit großen und kleinen Koffern, denke ich im Zug. Internationale Verbindungen sind flott, aber oft zum Bersten voll – hätte ich wissen können. Dafür mangelt es nicht an Unterhaltung: "Ich komme immer mehr weg vom Individualverkehr", sagt ein Fahrgast zu seiner Begleiterin, als hätte er gewusst, dass ich gerade am Zweifeln bin, ob ich all das will. Beherzt verzehrt er seine Wurst und schiebt nach: "Ein Auto braucht man eigentlich nicht."

Ich will einen Sitzplatz ergattern und werde mit einer unerwarteten Frage konfrontiert: "Are you alone?", fragt die junge Dame, die ich bitte, ihren Laptop beiseitezuräumen. "Ja, meine fünf Kinder, Hund, Ehemann und Pferd habe ich nicht dabei", antworte ich spitz und sehne mich nach dem eigenen Auto. Aber nur kurz. Dann denke ich, recht hat der Mann, aber mit Einschränkung. Für mich gilt das in erster Linie für Wien. In der Stadt bin ich mobil einfach gestrickt: Ich fahre mit dem Fahrrad, Jahr und Tag, Öffis und Taxi nütze ich kaum.

Mit dem Auto fahre ich aufs Land und – das ist meine Schwachstelle – täglich zum Morgensport mit dem Hund in eine erholsame Ecke: 15 Minuten dauert das. Mit dem Fahrrad brauche ich doppelt und mit Öffis dreimal so lang. Schlecht für meine Klimabilanz, rechnet der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) vor. 1160 Kilogramm CO2 weniger würde ich ohne diese Stadtfahrten produzieren. Ich werde darüber ernsthaft nachdenken.

Bahnhöfe habe ich viele gesehen. So beschaulich wie dieser in Mosonmagyaróvár sind natürlich nicht viele.
Foto: Regina Bruckner

Am Bahnhof in Mosonmagyaróvár steige ich trotzdem in ein Taxi, auf Klimabilanz und den Bus, der um wenig Geld in die Stadt fährt, pfeife ich. Auch meinen Roller packe ich sofort wieder ein. Die Lust, am Straßenrand neben den stinkenden Autos in die City zu rollen, ist gering. Zeitbilanz am Ziel: ausgeglichen. Mit dem Auto wäre ich nicht schneller gewesen trotz Anreise zum Bahnhof per U-Bahn und Taxifahrt in die Stadt, das überrascht.

Per BUS in die Pampa

Wer Zeit hat, hat es gut

Auch Öffi fahren will gelernt sein, sage ich mir und lege mir die Wegfinder-App zu. Sie hilft mir beim Planen und beim Preisvergleich. Mit 55 Euro schlug die Reise nach Mosonmagyaróvár zu Buche, die Autofahrt kostet 73 Euro. Als Entscheidungsgrundlage reicht der Preis nicht. In meine Heimat nach Oberösterreich fährt es sich komfortabel mit der Bahn – bis Linz. Die letzte Reise war kurzweilig.

Mein Auto ist alt. Verschrotten oder nicht? Eher nicht sagen Wissenschafter. Denn Autos müssen gebaut werden, in Produktionsstätten, deren Bau und Betrieb ebenfalls Energie verschlingt. Das gilt für das alte, wie für ein mögliches neues.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Asiatische Mitreisende, die nicht verstehen, dass der Kaffeeautomat nur Münzen schluckt, ein Getränkeautomat, der spinnt. Den grantigen Schaffner kostet das den letzten Nerv, er hat eben mit dem Rauchen aufgehört. In das Dörfchen, aus dem ich komme, fährt ab Linz ein Bus.

Alle heiligen Zeiten. Ich lasse mich lieber abholen – mit dem E-Auto. Ein bisschen CO2 habe ich damit gespart – und viel Zeit. Tage später führt die Fahrt aufs Land nahe Oberwart im Südburgenland – auch kein Heimspiel für Öffis. Von Wien nach Oberwart fährt der Bus eindreiviertel Stunden. Ab da wird der Weg weit. Neun Kilometer sind es zum Ziel, einem kleinen verschlafenen Dörfchen. Der Bus fährt hierher. Aber nicht allzu oft. Vor allem ist man dann noch lange nicht beim lauschigen Feriendomizil. Die letzte Meile wiegt besonders schwer. Vier Minuten mit dem Auto – zu Fuß eine halbe Stunde. Zeitbilanz: Mit dem Auto ist die Anreise in der Hälfte der Zeit zurückgelegt. Kein Wunder, dass auf dem Land das Auto das Maß der Fortbewegung ist und bleibt. (Regina Bruckner, 27.7.2019)