Die Natur bietet vor allem eines: Abwechslung. Das tut Körper und Psyche gut.

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So viele Menschen wie heute waren noch nie in den Bergen unterwegs. Viele sehen das Sporteln in der Natur als Ausgleich zum Bürojob, andere motiviert der Ausblick von ganz oben. Wer will, kann sich dort ins Gipfelbuch eintragen. Andere verschnaufen ein paar Minuten oder machen ein Selfie.

Was viele aber nicht bedenken: Geschafft ist die Wanderung noch lange nicht. Denn wer hinaufgekommen ist, muss auch wieder hinunter. Und das ist anstrengender, als viele glauben. Nun sind sie erschöpft, und die Konzentration lässt nach. Manche kommen ins Stolpern – und verletzen sich.

Der Sportwissenschafter Martin Faulhaber von der Universität Innsbruck forscht zu Unfällen in Österreichs Bergen. Er hat Unfalldaten der Alpinpolizei über Stürze beim Bergwandern aus den Jahre 2006 bis 2014 ausgewertet und die Unfallopfer befragt.

Bessere Ausrüstung

Die Daten aus den Fragebögen werden aktuell ausgewertet. Was Faulhaber schon weiß: Gut die Hälfte der Unfälle mit tödlichem sowie nichttödlichem Ausgang war kreislaufbedingt, davon sind, das haben frühere Studien schon gezeigt, überwiegend Männer betroffen.

Die zweite Hälfte der Unfälle war nicht kreislaufbedingt. Dazu zählen überwiegend Stürze – ein Großteil davon passiert beim Bergabgehen. Sehr häufig wird dabei das Sprunggelenk verletzt, weitaus seltener kommt es zu Kopfverletzungen.

Insgesamt gab es zwischen 2006 und 2014 5.368 Stürze beim Bergwandern, die von der Alpinpolizei registriert wurden. Während die Zahl der Unfälle, die nicht tödlich enden, pro Jahr steigt, blieb die Zahl der tödlichen Unfälle relativ konstant bei 35 bis 40. Faulhaber führt das auf bessere Ausrüstung zurück, aber auch darauf, dass die Rettungsmöglichkeiten heute besser sind als früher.

"Man kann heute viel schneller ein Notsignal absetzen", sagt er. Handyempfang gibt es mittlerweile auch in den Bergen fast überall. Auch die Hubschrauberrettung ist heute flächendeckender möglich als noch vor einigen Jahren.

Gutes Training

Dass es die Menschen zunehmend in die Berge zieht, finden Mediziner gut. Wandern hat viele gesundheitliche Vorteile. Es ist eine Ganzkörperbelastung und ein gutes Ausdauertraining, erklärt Faulhaber. Bergauf wird Wandern zum Ausdauertraining mit Kräftigungskomponenten, weil der Körper in die Höhe gehievt werden muss. Das merken Wanderer: Sie kommen außer Atem. Bergab kommt es zu einer exzentrischen Belastung, die die Muskulatur ungewohnt beansprucht. Das spüren viele am nächsten Tag in Form eines ordentlichen Muskelkaters.

Je nachdem, wie der Wanderweg beschaffen ist, kann Wandern auch die Koordinationsfähigkeit schulen. Durch die Bewegung kommt es auch zu Stoffwechselanpassungen. Studien haben beispielsweise gezeigt, dass sich die Langzeit-Blutzuckerwerte von Prä-Diabetikern durch Wandern verbessern.

Auch der Psyche tut die Bewegung gut: Wandern wirkt sich positiv auf das Stresslevel des Körpers aus – und zwar, so betont der Sportwissenschafter Martin Niedermeier von der Universität Innsbruck, unabhängig davon, ob man in einem Innenraum auf dem Laufband wandert oder draußen in der Natur. Die Natur hat trotzdem ihre Vorzüge: Studien haben gezeigt, dass die Bewegung im Freien weniger ermüdet als das Indoor-Training.

Woran das liegt, ist laut Niedermeier schwer zu sagen. Sogenannte "Soft Fascinations" könnten dabei aber eine Rolle spielen. Das sind Elemente der Natur, die ohne eigenes Zutun unsere Aufmerksamkeit erregen – Wolkenformen zum Beispiel oder Bäume, die sich im Wind bewegen. Diese Ablenkung könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass viele Menschen beim Wandern so gut abschalten können.

Wolfgang Schobersberger, Leiter des Instituts für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus der Tirol-Kliniken und der Privatuniversität Umit in Hall, führt auch den Einfluss von Licht auf die menschliche Psyche ins Treffen: Durch die Intensität des Lichts am Berg werden Botenstoffe im Nervensystem aktiviert, die gegen schlechte Stimmung helfen.

Stiegensteigen als Training

Wandern ist laut Schobersberger allerdings nur dann gesund, wenn man es richtig macht. Und wer internistische oder orthopädische Probleme hat, sollte sich erst vom Arzt durchchecken lassen.

Auch Gesunde sollten vor dem Wanderurlaub an ihrer Kondition arbeiten und ihre Muskulatur kräftigen. Das schwierige Bergabgehen kann im Flachland zwar nur schwer trainiert werden, eine gute Option ist laut Faulhaber aber das Stiegensteigen.

Auch die Ausrüstung ist wichtig: Beim Schuhkauf sollten Wanderer sich unbedingt orthopädisch beraten lassen, rät Schobersberger. "Da geht es aber nicht darum, welche Schuhmarke besser ist", stellt er klar. Außerdem braucht es Ausrüstung für Schlechtwetter am Berg. Allerdings sei das heute nur selten ein Problem – ganz im Gegenteil: "Man muss nicht daherkommen, als wäre man auf einer Expedition."

Nicht zu schwer beladen sein

Wichtig ist auch, nicht auf den Sonnenschutz zu vergessen. Und auf ausreichend Proviant. Auch Wanderstöcke können sinnvoll sein: Bergauf ist ihr Einsatz laut Schobersberger ein gutes Training für Schultern und Rücken. Bergab geben sie Ungeübten Trittsicherheit.

Noch ein wichtiger Punkt: Der Rucksack sollte nicht zu schwer ist. Denn durch einen schweren Rucksack wird der Schwerpunkt erhöht – das kann die Sturzgefahr erhöhen, warnt Faulhaber.

Wer schon müde und angesichts des langen Abstiegs unsicher ist, hat auf vielen Bergen einen Ausweg: Hinunter ins Tal geht es auch mit der Seilbahn. (Franziska Zoidl, 4.8.2019)