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An zahlenden Mitgliedern fehlt es Fitnessstudios nicht. Viele Laufbänder bleiben trotzdem leer.

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Sport ist gesund, Sport ist angesagt, und Sport ist erschwinglich. Und zwar längst nicht mehr nur für jene, die in einem Haus mit Fitnesskeller am Rand eines Waldes mit unzähligen und idyllischen Laufstrecken residieren: Selbst wer sich im Großstadtdschungel weder für Joggen auf Einkaufsstraßen noch für Liegestütze am Boden zwischen Schreibtisch und Wäscheständer entscheiden will, findet mittlerweile an fast jeder Ecke ein Fitnesscenter. Bei großen Billiganbietern, die mit einem Marktanteil von rund 18 Prozent zwar weit weniger verbreitet sind als Boutique-Studios, kostet das nicht viel: Günstige Angebote starten bei 20 Euro pro Monat, quer durch die Branche liegt der Durchschnittspreis bei 43 Euro. Der Vertrag gilt dann jedoch meist für ein ganzes Jahr.

Etwas mehr als 200 der rund 1200 Fitnessstudios in Österreich befinden sich in Wien, ähnlich viele sind es in Niederösterreich und der Steiermark. Das Geschäft mit dem Schweiß läuft gut: 2018 hat die Branche mehr als eine halbe Milliarde Euro umgesetzt. Mit rund 1.073.000 Mitgliedern besaßen ungefähr zwölf Prozent der Bevölkerung eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio.

Eine Mitgliedschaft ist nicht gleich Fitness. Die Mitgliedschaft ist käuflich, Fitness muss man sich erarbeiten.
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Ein Viertel der Mitglieder ist inaktiv

Mitglied zu sein bedeutet allerdings nicht zwingend zu trainieren. Im Gegenteil: Mehr als ein Viertel aller Fitnessstudiomitglieder seien inaktiv, berichten Billiganbieter am heimischen Markt. Sie zahlen zwar die monatliche Gebühr, lassen sich aber so gut wie nie im Studio blicken. Im Mai hat Guardian-Redakteurin Emma Brockes dazu ein (welch Wunder!) recht selbstironisches Bekenntnis verfasst: "I'll keep paying for the gym I never use – it represents hope" lautet der Titel ihres Textes, in dem sie zuallerletzt mit einer Magengrippe als ehrlicheres Mittel, zur Strandfigur zu kommen, liebäugelt.

Für Fitnessstudios gibt es keine besseren Kundinnen als Brockes. Sie überweist Monat für Monat ihren Mitgliedsbeitrag, verursacht aber keine Kosten durch Nutzung der Geräte. Ökonomen befassen sich schon seit über einem Jahrzehnt mit Märkten, in denen Unternehmen von sogenannten "naiven" oder "myopischen" Kunden profitieren. Empirische Studien belegen, dass viele Konsumenten Jahresmitgliedschaften bevorzugen, obwohl es bei ihrer Trainingsfrequenz deutlich billiger gewesen wäre, monatlich oder pro Besuch zu zahlen.

Ökonomisch relevant ist, dass ein Fitnessstudio billiger anbieten kann, je mehr "naive" Kunden es hat. Diese finanzieren aktiven Kunden gewissermaßen bessere Preise – bekommen aber als Gegenleistung bloß eine Chipkarte, die im Portemonnaie verstaubt. Es braucht keine Marktmacht oder Tricks, um inaktive Kunden anzulocken. Es handelt sich in der gängigen Forschung nämlich schlicht um solche, die falsch einschätzen, wie oft sie trainieren werden.

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Von solch einem Bizeps träumen definitiv viele. Und wenn man nach einem Traum aufsteht, kann man eben auch zum Kühlschrank anstatt in die Kraftkammer gehen.
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Wenig Antrieb

So weit die Theorie. Gerhard Spahn, der bei der österreichischen Wirtschaftskammer Obmann der Sparte Freizeit und Sportbetriebe ist, hat eine alternative Erklärung für das Phänomen: "Je billiger die Mitgliedschaft, umso geringer ist der Antrieb, auch hinzugehen." Demnach sind nicht – wie Ökonomen behaupten – inaktive Mitglieder der Grund für lange Vertragslaufzeiten, vielmehr ködern billige Preise inaktive Mitglieder.

Die Kosten einer ungenutzten Mitgliedschaft liegen bei Billiganbietern unter der Schmerzgrenze der meisten inaktiven Mitglieder. Fürs Spahns Erklärung spricht, dass teurere Anbieter wie John Harris berichten, dass nur ein verschwindend geringer Teil ihrer Kunden inaktiv sei. Dennoch, räumt Spahn ein, würden viele Anbieter in allen Preisklassen versuchen, in Einklang mit gängigen Konsumentenschutzbestimmungen die Vertragslaufzeiten auszudehnen. In Österreich könnten Kunden aber aus einer breiten Palette an unterschiedlichen Vertragslaufzeiten auswählen, wobei gilt: je kürzer die Laufzeit, desto teurer die Monatspauschale.

Beide Erklärungsansätze haben wohl einen wahren Kern. Sonst gäbe es nicht zahlreiche aktuelle – und noch mehr ehemalige – Studiomitglieder, die die Vertragsgestaltung vor allem von Discountern als unfair erachten. Meist stoßen sie sich an der langen Laufzeit. Wer einmal unterschrieben hat, kommt oft frühestens nach einem Jahr wieder raus. Und das auch, wenn schon nach zwei Wochen klar ist, dass man das Jahr so oder so nicht mit einer Arnold-Schwarzenegger-Figur beenden wird, ja nicht einmal mit ein paar Kilogramm weniger am Leib. Es bleibt das Gefühl, veräppelt worden zu sein. Und jeden Monat erinnert das Bankkonto daran, dass man letztlich dafür bezahlt, nicht ins Fitnessstudio zu gehen.

Wieso schwere Gewichte heben, wenn das Stemmen der Fernbedienung doch so viel unkomplizierter ist.
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Mitgliedschaft ist kein Sport

Aber kann man Fitinn, McFit und anderen wirklich Vorwürfe machen? Eine Mitgliedschaft ist nicht gleich Fitness. Die Mitgliedschaft ist käuflich, Fitness muss man sich erarbeiten. Die Mitgliedschaft bringt lediglich Zugang zu den Trainingsgeräten.

Sollten Fitnessstudios Mitgliedern also eine Kündigungsfrist vor Ablauf der Vertragslaufzeit gewähren, wenn diese realisieren, dass sie kaum bis gar nicht von ihrer Mitgliedschaft Gebrauch machen? Die Frage ist weniger leicht zu beantworten, als es scheinen mag. Wenn Kunden frühzeitig aus ihren Verträgen entlassen werden, entgehen dem Fitnessstudio Einnahmen. Diese kann es sich nur zurückholen, indem es die Mitgliedschaft teurer macht.

Mit anderen Worten: Alle im Markt profitieren von "naiven" Kunden. Fitnessstudios, weil sie mehr Kunden haben und einige davon keine Kosten verursachen. Mitglieder, die regelmäßig kommen, weil Fitnessstudios billiger anbieten können, je mehr "naive" Kunden sie haben. Und selbst "naive" Kunden profitieren, solange sie im Studio eingeschrieben sind, weil sie bei höheren Preisen noch mehr fürs Zuhausebleiben zahlen würden – sofern sie dann noch eine Mitgliedschaft erwerben würden. (Aloysius Widmann, 27.7.2019)