Im Gastkommentar erklärt Wifo-Ökonomin Claudia Kettner, dass Österreich eine aktiviere Klimapolitik bräuchte. Beispiele aus Kanada und der Schweiz zeigen, dass eine CO2-Steuer dazu beitragen könnte, die Klimaziele zu erreichen. Jurist und Ökonom Erhard Fürst wiederum spricht sich dafür aus, dass die Klimapolitik technologischen Fortschritt befördern muss.

Die Klimakrise ist eine der großen globalen Herausforderungen. Im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 hat sich die internationale Staatengemeinschaft dazu verpflichtet, den globalen Temperaturanstieg deutlich unter zwei Grad Celsius – und wenn möglich unter 1,5 Grad Celsius – gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Nicht zuletzt Greta Thunberg ist es mit der Fridays-for-Future-Bewegung gelungen, das Thema auch in der breiten gesellschaftlichen und politischen Diskussion zu verankern. Das zeigt auch die Bewerbungsrede der designierten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, in der diese forderte, dass Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden solle. Bis 2030 solle der CO2-Ausstoß um mindestens 50 Prozent reduziert werden, was unter anderem durch die Einführung einer CO2-Grenzabgabe erreicht werden soll.

Schon in der Vorwoche hatte der Rat der deutschen Wirtschaftsweisen gefordert, ökonomische Instrumente zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes einzusetzen. Dieser betonte die Einführung einer CO2-Steuer auf fossile Energieträger als kurzfristige Option zur Reduktion von Treibhausgasen, die auf nationaler Ebene einfach umgesetzt werden kann. Langfristig favorisiert das Sondergutachten eine (EU-weite) Ausweitung des Europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS), in dem bisher vorwiegend Treibhausgasemissionen aus der Energiebereitstellung sowie aus der emissionsintensiven Industrie erfasst sind, auf andere Sektoren wie Verkehr oder Raumwärme.

Eine CO2-Steuer allein wird das Klima nicht retten können.
Cartoon: Felix Grütsch

Emissionen gestiegen

Auch in Österreich wäre eine aktivere Klimapolitik notwendig, um die Emissionsreduktionsziele zu erreichen. Das gilt auch hier insbesondere für Sektoren, die nicht durch das EU ETS reguliert sind. In diesen Bereichen sind die Treibhausgasemissionen in Österreich zwischen 2014 und 2017 wieder jährlich gestiegen, was vor allem auf eine Zunahme der Emissionen aus dem Verkehr zurückzuführen ist; eine Trendwende zeichnet sich nicht ab.

Während rund ein Drittel der EU-Mitgliedsländer bereits eine CO2-Steuer eingeführt haben, wird diese Option in Österreich kaum diskutiert. Auch die Energiesteuersätze sind – zumindest im Verkehrsbereich – in Österreich vergleichsweise niedrig. Bei der Besteuerung von Treibstoffen liegt Österreich auf Platz 16 (Diesel) bzw. 17 (Benzin) der EU-28. Auch die Energiesteuereinnahmen im Verhältnis zu den gesamten Steuereinnahmen liegen in Österreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt.

Die Notwendigkeit struktureller Veränderungen im österreichischen Steuersystem wird von internationalen Organisationen immer wieder betont. Die Einführung einer CO2-Steuer würde eine Verlagerung der Steuerlast von Arbeit auf Treibhausgasemissionen ermöglichen; neben einer Reduktion von Treibhausgasemissionen könnten so positive ökonomische Effekte erzielt werden.

Ökosoziale Steuerreform in Kanada ...

Beispiele aus anderen Ländern belegen, dass die Einführung einer CO2-Steuer dazu beitragen kann, die Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren. So wurde z. B. im Jahr 2008 eine ökosoziale Steuerreform in British Columbia, Kanada, durchgeführt. Fossile Energieträger (wie Benzin, Heizöl oder Diesel) wurden mit einer CO2-Steuer belastet, während zeitgleich Entlastungsmaßnahmen für Haushalte und Unternehmen (in Form einer Senkung von Einkommen- und Unternehmenssteuern) eingeführt wurden.

Zusätzlich wurden Direktzahlungen für einkommensschwache Haushalte und stark betroffene ländliche Haushalte eingeführt. Die Steuer wurde schrittweise implementiert, damit sich Haushalte und Unternehmen anpassen konnten. 2010 betrug sie zehn kanadische Dollar pro Tonne CO2 (umgerechnet 6,4 Euro), bis zum Jahr 2012 wurde sie jährlich um fünf auf 30 Dollar (umgerechnet 23,4 Euro) erhöht. Studien zeigen, dass durch die Einführung der Steuer bis zum Jahr 2011 die Emissionen in British Columbia um fünf bis zehn Prozent und der Verkauf von Benzin um zehn bis 18 Prozent (gegenüber einem Referenzszenario) gesenkt werden konnten, ohne negative Effekte auf die Wirtschaftsleistung oder die Beschäftigung (manche Studien gehen sogar von leicht positiven ökonomischen Effekten aus).

... und in der Schweiz

In der Schweiz wurde ebenfalls im Jahr 2008 eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe (Kohle, Heizöl, Gas) eingeführt, die damit in erster Linie Haushalte betrifft. Während die Abgabe zunächst zwölf Schweizer Franken pro Tonne CO2 – umgerechnet zirka 7,6 Euro pro Tonne CO2 – betrug, wurde sie in vier Schritten auf 96 Franken erhöht, da vorab definierte Zwischenziele für die Emissionsreduktion in den betroffenen Sektoren nicht erreicht wurden. Die Einnahmen aus der Steuer werden zu rund einem Drittel für thermische Sanierung verwendet, der Rest wird über Krankenversicherungsprämien und andere Sozialversicherungen an Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber rückvergütet. Auch für die Schweiz zeigen Studien, dass durch die CO2-Abgabe die Emissionen deutlich reduziert werden konnten, im Jahr 2015 lag die Emissionseinsparung zwischen 4,3 und 9,6 Prozent.

Rückvergütungen essenziell

Dass Rückvergütungsmaßnahmen zentral für die Akzeptanz einer CO2-Steuer sind, zeigt das Beispiel Frankreich. Die Gelbwesten-Proteste haben sich primär gegen eine Erhöhung von Benzin- und Dieselsteuern gerichtet, da diese untere Einkommensschichten stärker belasten und eine Rückvergütung zur Abfederung der regressiven Effekte – etwa durch Zahlung eines Ökobonus – ausgeblieben ist; die Mittel aus der Steuer wurden hauptsächlich zur Budgetsanierung verwendet.

Auch Modellanalysen des Wifo zur Einführung einer CO2-Steuer zeigen, dass diese die Emissionen in Österreich deutlich verringern könnte. Durch die Einführung einer CO2-Steuer von 120 Euro pro Tonne CO2 (zusätzlich zu den bestehenden Energiesteuern) sowie eine Vereinheitlichung der Energiesteuersätze (das heißt Diesel- und Benzinsteuersätze sowie jene für Heizstoffe werden angeglichen) sinken die energiebedingten CO2-Emissionen in den Nichtemissionshandelssektoren im Wifo-Modell um insgesamt sieben Prozent (zirka 2,6 Millionen Tonnen CO2) im Vergleich zu einem Szenario ohne CO2-Steuer.

Auch in Österreich würde die Einführung einer CO2-Steuer ohne begleitende Kompensationsmaßnahmen tendenziell regressiv wirken und könnte das Wirtschaftswachstum dämpfen. Eine Rückverteilung der zusätzlichen Steuereinnahmen (z. B. über einen Ökobonus an Haushalte und eine Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung) kann jedoch bewirken, dass die Einführung der CO2-Steuer in Summe die Emissionen reduziert, ohne negative Auswirkungen auf Wachstum und Einkommensverteilung zu entfalten.

Eine CO2-Steuer allein wird das Klima nicht retten können. Aber eingebettet in einen umfassenden Instrumentenmix kann sie dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen. Die Einführung einer CO2-Steuer sollte dabei in eine ökologische Steuerreform eingebettet sein, um negative Verteilungs- und Wettbewerbseffekte zu verhindern. (Claudia Kettner, 27.7.2019)