Die Handschlagqualität seines Vaters Gerhard (75) will Gerrit Woerle (34) als Geschäftsführer des Familienbetriebs beibehalten.

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Die Wiesen im Flauchgau und im Mondseerland sind nicht nur Futter für die Kühe, sondern werden im Projekt, das Gerrit Woerle mit der Uni Salzburg initiiert hat, auch als Lebensort der Wildbienen untersucht.

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Es geht Schlag auf Schlag in der Salzburger Käserei Woerle. Derzeit wird der Firmensitz am Ortsrand der Flachgauer Gemeinde Henndorf von drei auf fünf Hektar erweitert, gleichzeitig feiert das Familienunternehmen heuer sein 130-jähriges Bestehen. Im kommenden Jahr steht dann die Übergabe der Firmenleitung an die fünfte Generation an.

Gerrit Woerle spricht ruhig und wohlüberlegt über die anstehende Herausforderung. "Man darf keine Angst haben, aber Respekt vor der Aufgabe." Der 34-Jährige wird die Geschäftsführung von seinem Vater Gerhard übernehmen. "Ich wollte, dass die Mitarbeiter sehen, dass ich Energie reinlege und nicht nur der Bua vom Chef bin", sagt der jüngste Sohn von vier Kindern. Nach dem Zivildienst hat er zunächst fünf Jahre lang in allen Bereichen des Unternehmens mitgearbeitet: Hilfsarbeitertätigkeiten, in der Produktion, im Labor, im Controlling und im Verkauf. "Aber die meiste Zeit war ich in der Käserei."

Der Käse hat es dem Flachgauer angetan. Familienleidenschaft sozusagen. Sein Ururgroßvater Johann Baptist Woerle hat die Käserei 1889 gegründet. Von einem Käser aus der Schweiz hat sich der umtriebige Vorfahre das Handwerk des Emmentalermachens beibringen lassen. Während der k. u. k. Monarchie wurde in 20 Pachtbetrieben nach seiner Rezeptur Käse hergestellt und damit auch bereits Export betrieben. Heute noch ist Woerle in Österreich Marktführer beim Emmentaler. Der Betrieb exportiert mittlerweile rund die Hälfte der 32.000 Tonnen Natur- und Schmelzkäse in über 70 Länder.

Betriebsnachfolge als Masterarbeit

Mit 25 Jahren hat Gerrit Woerle ein Betriebswirtschaftsstudium an der FH Salzburg begonnen. "Ich wollte mehr theoretisches Wissen und wollte die Zeit nutzen, um woanders hinzukommen, um die Komfortzone zu verlassen und die Scheuklappen aufzumachen", sagt der Salzburger. Ein halbes Jahr studierte Woerle in Paris, fünf Monate verbrachte er in Chile, wo er im Zuge eines Auslandspraktikums eine nachhaltige Tourismusstrategie für ein Dorf entwarf und Spanisch lernte.

Anschließend machte er einen berufsbegleitenden Master in Strategischem Change-Management an der Donau-Universität Krems. Für seine Masterthesis zum Thema "Unternehmensnachfolge im Familienbetrieb" führte Woerle Expertengespräche mit Unternehmern, die den Generationenwechsel bereits hinter sich hatten. Die Faktoren für eine positive Übergabe wendete die Familie im eigenen Betrieb an und ließ sich dabei extern begleiten. Seine Schwester Silvia arbeitet ebenfalls im Betrieb mit.

"Die Nachfolge ist ein Teil des strategischen Prozesses. Wir haben Fahrpläne entwickelt. Die Mitarbeiter müssen wissen, wie es weitergeht. Denn so eine Übergabe ist auch mit Unsicherheit verbunden." Die Menschen standen bei Gerhard Woerle immer im Mittelpunkt der Unternehmensführung – die Mitarbeiter gleich wie die Bauern, die die Milch zuliefern. Die Handschlagqualität des Vaters will auch Gerrit Woerle in der Betriebsleitung fortführen und auf bestehenden Werten aufbauen. Nächstes Jahr wird er als Geschäftsführer für die 325 Mitarbeiter der Käserei in Henndorf verantwortlich sein. Sein Vater Gerhard (75) zieht sich nach 45 Jahren von der Unternehmensführung zurück und wechselt in den Aufsichtsrat. "Wichtige Entscheidungen werden von der Familie getroffen und nicht von einem Manager", sagt der Jungunternehmer.

Bauern für Wildbienen begeistern

Gerrit Woerle identifiziert sich voll und ganz mit dem Produkt, dem Rohmilchkäse aus tagesfrischer silo- und gentechnikfreier Heumilch. Er setzt auf eine nachhaltige Entwicklung, will den persönlichen Kontakt zu den Bauern und den Partnern im Inland und Ausland pflegen und auch Innovationen bei den Produkten vorantreiben. "Wir arbeiten stark mit der Natur, wenn es die nicht mehr gibt, gibt es keine Milch und auch keinen Käse mehr", sagt der Betriebswirt. "Man kann in seinem Mikrokosmos einen Unterschied machen." Deshalb hat er vor zweieinhalb Jahren zusammen mit der Universität Salzburg ein Grundlagenforschungsprojekt für die Wildbienen im Mondseerland und Flachgau initiiert. Ziel ist es, den Landwirten zu zeigen, was sie bereits Gutes für die Artenvielfalt tun, und sie darin zu bestärken.

Auch der Ausbau des Standorts in Henndorf soll die Firma ökologischer machen. 5.000 Lkw-Fahrten werden eingespart, weil das Lager nun im Haus ist, und eine Photovoltaikanlage produziert einen Teil des benötigten Stroms. (Stefanie Ruep, 29.7.2019)