"Theater ist meine Waffe", sagte Johann Kresnik. Die Bühne sei eine "moralische Anstalt".

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Sein letzter Auftritt war in Wien. Nur zwei Wochen nachdem Johann Kresnik mit seinem "Macbeth" im Volkstheater das derzeit laufende Impulstanz-Festival eröffnet hatte, ist er Samstagnachmittag in Klagenfurt an Herzversagen gestorben. Geboren 1939 im kärntnerischen St. Margarethen, war der Choreograf ab den 1970er-Jahren einer der bedeutendsten Vertreter des modernen Nachkriegstanzes im deutschen Sprachraum.

In den 1950ern hatte er eine Lehre als Werkzeugschlosser in Graz begonnen und zugleich Tanz- und Schauspielunterricht genommen. 1959 hatte er ein Engagement in der steirischen Landeshauptstadt, wurde aber schon im Jahr darauf nach Bremen abgeworben. Kresnik war ein außergewöhnlich talentierter Tänzer, der es bis zum New York City Ballet brachte.

Letztendlich hat ihn das Ballett aber nicht wirklich erfüllt, denn ihn trieb ein politischer Kopf an, und der ist ihm bis zuletzt geblieben. Ein Querkopf, der einer sein musste, wenn er in den Sixties mit dem Tanz heikle Themen ansprechen wollte. Johann Kresnik wollte das absolut. Schizophrenie war es in seinem ersten Werk "O sela pei" von 1967, das Attentat auf Rudi Dutschke im Jahr darauf unter dem Titel "Paradies?".

Kärntner Bergbauernbub

Aus dem Kärntner Bergbauernbuben, dessen Vater vor seinen Augen von Partisanen erschossen wurde, hatte sich ein gestandener Linker entwickelt. Dem Tanz in der muffigen deutschen Nachkriegsatmosphäre leistete er damit einen großen Dienst: Mit dem von ihm entwickelten Choreografischen Theater schuf er Werke, die damals einzigartig zeigten, dass aus dem Tanz eine kritische Kunst gemacht werden konnte, wenn man das wirklich wollte.

Schon mit dreißig Jahren leitete er sein erstes Ensemble, nachdem er Ballettdirektor am Theater Bremen geworden war. Seit damals hat er ein geradezu enormes Werk geschaffen, das nie an Kompromissen kränkelte und noch weniger je als entspannende Abendunterhaltung diente. Denn Kresnik war ein Aufklärer durch und durch, und dass man ihn deshalb – und wegen seines auf kathartische Erlebnisse für das Publikum zielenden Kunststils – einen "Berserker" nannte, hat er gut verkraftet.

Mit seinem "Macbeth" hatte der Choreograf schon einmal ein Wiener Festival eröffnet, nämlich Tanz ’92 unter Gerhard Brunner. Wenige Tage später zeigte er als Draufgabe noch sein Stück "Ulrike Meinhof", das den Autor dieses Nachrufs dazu brachte, sich künftig journalistisch mit Tanz zu beschäftigen – die starken Bilder, die harte Performance, die dunkle Dynamik des Geschehens.

Kresnik schrieb die Brutalität mancher Szenen in Stücken wie diesen "meiner bösen, österreichischen Phantasie" zu. Wo er das Aufkeimen eines "neuen Faschismus" sah, schoss er – Zitat: "Theater ist meine Waffe" – mit großem künstlerischen Kaliber. "Für mich", sagte er dem STANDARD damals, "ist Theater eine moralische Anstalt." Trotzdem sind seine Stücke nie zur schlichten Predigt oder Propaganda geworden.

Das Verhältnis des Künstlers zu Österreich war – beinahe möchte man sagen: selbstverständlich – ein gespaltenes. Man habe sich, meinte er 1992, "während der vielen Jahre so wenig um mich gekümmert, da habe ich keine Lust mehr", hierher zurückzukommen. Immerhin unterstützte er viel später, 2011, die Gründung eines Choreografischen Zentrums in Bleiburg/Pliberk, Kärnten, und stärkte es mit seinem Namen. Es hat gerade vergangenen Freitag, im Kärntner Gmünd eine Lange Nacht des Tanzes ausgerichtet.

Ambivalente Beziehung

Tatsächlich hatte die österreichische Kulturwelt zu Kresnik ein so ambivalentes Verhältnis wie etwa zu Claus Peymann oder zu Thomas Bernhard, mit dem er "gerne gearbeitet" hätte: "Das ist aber nicht mehr zustande gekommen." Von 1974 bis 1978 war er Gastchoreograf am Theater an der Wien gewesen, 1994 und 1995 erarbeitete er mit der Company von Impulstanz-Mitgründer Ismael Ivo zwei wuchtige Stücke: "Francis Bacon" und "Othello", sie waren beide im Festival zu sehen. 2001 zeigte er bei Impulstanz noch "Goya" und "Frida Kahlo". Im Volkstheater unter Michael Schottenberg wurde 2005 "Spiegelgrund" über die Machenschaften des Wiener Euthanasie-Arztes Heinrich Gross und über dessen Opfer Friedrich Zawrel uraufgeführt.

Über viele Jahre hindurch schien der künstlerische Stil des Choreografen ein wenig aus der Zeit gefallen. Das änderte sich erst mit der Wiederaufnahme von "Macbeth" mit dem Linzer Ballett unter Mei Hong Lin. Diese Genugtuung und den Erfolg jetzt bei Impulstanz hat Kresnik noch erleben können. (Helmut Ploebst, 28.7.2019)