In Herigsdorf im Deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt findet jedes Jahr das "Dreckschweinfest" statt. Bei dem Volksfest, das traditionell an Pfingsten stattfindet, springen Männer immer wieder in ein Schlammloch, um den Winter auszutreiben. Es besteht kein Zusammenhang mit dem Wahlkampf in Österreich.

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Nein, die Grünen essen kein Menschenfleisch, und Sebastian Kurz war mutmaßlich kein Kinderpornodarsteller. Dass wir uns mit solchem Schwachsinn überhaupt auseinandersetzen müssen, verdanken wir den kranken Gehirnen einiger rechtsextremer Verschwörungstheoretiker, aber auch der ÖVP. Dass es Idioten gibt, die über das Internet andere Leute besudeln, ist eine Tatsache – und man sollte das bekämpfen, indem man Polizei und Justizbehörden einschaltet, wo immer das möglich ist. Man sollte diesen Inhalten aber nicht noch zusätzlich Öffentlichkeit verschaffen, indem man für deren Verbreitung sorgt. Genau das tut die ÖVP. Und man fragt sich, warum sie das tut.

Die Homepage, die offenbar einen rechtsradikalen Hintergrund hat und auf der unfassbar dumme und widerliche Thesen verbreitet werden, hätte niemand wahrgenommen, wenn nicht die ÖVP darauf hingewiesen hätte. Das Gleiche gilt für die angeblich gefälschten E-Mails zwischen Kurz und seinem Vertrauten Gernot Blümel, die niemand kannte, ehe die ÖVP damit an die Öffentlichkeit ging. Auch andere Vorwürfe und bösartige Unterstellungen, die auf dubiosen Seiten erhoben wurden, fanden erst ihre Verbreitung, als die ÖVP ihnen Publizität verschaffte. Zuletzt tat das Kurz am Sonntag mit "ein paar persönlichen Zeilen" – und verwies bereits im zweiten Satz auf den ehemaligen SPÖ-Berater Tal Silberstein und damit auf die SPÖ.

Anschütten anderer und der Opfermythos

Warum tut die ÖVP das also? Kurz selbst liefert die Hinweise. Erstens: Natürlich ist es legitim, sich gegen falsche Vorwürfe und Schmuddelgerüchte zu wehren. Kurz allerdings schiebt diese allesamt dem politischen Mitbewerber in die Schuhe. Er stellt folgende Fragen: "Ist es diese Politik, die wir haben wollen? Wo Politiker auf tiefster Ebene in den Dreck gezogen werden? Wo Hass und Missmut stärker sind als politischer Gestaltungswille? Wo manche bereit sind, zu allen Mitteln zu greifen?" Sein offenbar bewusst begangener Irrtum: Wenn ein paar Spinner im Internet Schmutz verbreiten, sei das Politik. Dem ist aber nicht so. Es gibt keinerlei Hinweis darauf und es erscheint auch unlogisch, dass die SPÖ – oder die Neos oder die Grünen – hinter diesen Anschüttungen stehen. Das legt Kurz aber nahe. Er schüttet andere an. Er arbeitet genau mit den unsauberen Methoden, die er angeblich aus dem Wahlkampf raushalten will.

Zweitens: Kurz scheint sich in der Opferrolle zu gefallen. Die Strategie der ÖVP war seit der Abwahl im Parlament klar: Man spinnt einen Opfermythos, den man durch den Wahlkampf zieht, wo immer es geht. Wenn irgendwelche Spinner Schmutz ausschütten, passt das der ÖVP offenbar ins Konzept.

Drittens: Immer wenn Kurz und die ÖVP unter Druck geraten, gehen sie in den Gegenangriff über und versuchen ein anderes Thema zu lancieren. Das ist eine Übung, in der die ÖVP-Strategen Routine haben. Statt über den höchst seltsamen Vorgang des Schredderns von Daten aus dem Kanzleramt sollen wir jetzt über die argen Angriffe auf Kurz diskutieren. Das ist ein etwas plump geratenes Täuschungsmanöver. Um es noch einmal klar zu sagen: Die Angriffe auf Kurz aus der Anonymität des Netzes heraus sind abscheulich, das soll nicht verharmlost werden. Daraus aber politischen Profit schlagen und andere, die nichts damit zu tun haben, beschädigen zu wollen ist eine Form von Dirty Campaigning, die Kurz und sein Team nicht notwendig haben. Oder haben sollten. (Michael Völker, 28.7.2019)