Das Projekt Refugees for Refugees versammelt geflüchtete Musiker aus fünf verschiedenen Ländern von Nah- bis Fernost.

Sascha Osaka, Glatt & Verkehrt

Neben Volksliedern aus dem arabischen Raum gab es beim "Glatt und Verkehrt"-Festival auch buddhistische Mantras aus Tibet zu hören.

Sascha Osaka, Glatt & Verkehrt

Vom Mittelmeer über die Seidenstraßen bis Tibet führte jene musikalische Odyssee im besten Sinne, die beim Abschlusswochenende des "Glatt und Verkehrt"-Festivals in Krems gegeben wurde. Segel gesetzt wurden in Zypern, seit Jahrtausenden Schmelztiegel mediterraner Kulturen und bis heute Ort politisch-ethnischer Konflikte. Das Trio Monsieur Doumani aus Nikosia will mit seinen zeitgemäßen Arrangements traditioneller zypriotischer Volkslieder verbindend wirken.

Dem zarten, reduzierten Spiel des Trios, bei dem vor allem die Posaune einen fabelhaften, im Wind flatternden Klangteppich ausrollte, gaben aber erst die Griechen Kristi Stassinopoulou und Stathis Kalyviotis einen willkommenen Anstoß, etwas mehr aufs Gas zu drücken. Die dumpf wabernden Elektronikbeats des Duos verliehen der dargebrachten Hirtenmusik psychedelische Vertiefung, die von der Weide in Richtung Club zieht. Sicher kein Fehler, falls aus dieser Kollaboration mehr werden sollte.

Experimental-Schlagwerk für die Ägäis

Routine und Erfahrung ließen Wolfram Berger und Peter Rosmanith mit ihrer Bearbeitung der "Odyssee" von Homer erkennen. Beide haben bereits zahlreiche Literaturstücke in Ton übersetzt, der Schauspieler Berger lesend, Rosmanith am Schlagwerk begleitend. Etwas schwierig am Beginn, aber zunehmend einnehmend mit Fortgang der Erzählung, entfaltete Berger die sprachliche Schönheit einer relativ antiquierten Übersetzung des Heldenepos. Rosmaniths Experimental-Schlagwerk – allerhand Hang-Klangschüsseln, archaische Trommeln und nicht zuletzt das Wasserbad – verlieh dem Text eine für die Welt der alten Ägäis authentisch scheinende Geräuschkulisse.

Wie wohl die alten Handelsrouten zwischen Abend- und Morgenland, die man Seidenstraßen nannte, einst geklungen haben müssen, zeigte zum Abschluss das Projekt "Refugees for Refugees". Zu dem zehnköpfigen Ensemble fanden sich in Brüssel professionelle Musiker aus fünf Ländern, die vor Krieg und Verfolgung flüchten mussten, zusammen, um die Musiktraditionen ihrer Herkunftsregionen auf gemeinsame Wurzeln hin abzutasten.

muziekpublique

Eine Vielzahl an Saiteninstrumenten, von denen die vom Aussterben bedrohte Slide-Gitarren-ähnliche Sarod aus Indien am vordringlichsten bespielt wurde, kamen zum Einsatz, der dumpfe, erhabene Klang einer afghanischen Flöte bescherte verträumte Bilder. Zusammen gab man Volkslieder aus den vom Krieg ruinierten Städten Bagdad und Aleppo und wanderte musikalisch weiter ostwärts, bis die buddhistischen Mantras des Himalaya-Gebirges ihre Kraft entfalteten. Es ist Pathos und Stolz, der die Klänge der alten Seidenstraßen verbindet. Musik der Beständigkeit, die es erlaubt, sich an ihr wiederaufzurichten. (Stefan Weiss, 28.7.2019)