Neben der im 18. Jahrhundert erbauten Festung befindet sich auf der finnischen Inselgruppe Suomenlinna auch ein Gefängnis.

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Sie liegt unscheinbar an der Hauptroute einer der Top-Touristenattraktionen der finnischen Hauptstadt Helsinki: die Strafvollzugsanstalt Suomenlinna. Jährlich wird die Inselgruppe Suomenlinna mit ihrer historischen Festungsanlage Sveaborg von rund einer Million Menschen aus aller Welt besucht. Seit der Neugründung eines Gefängnisses auf der Insel 1971 hat es sich von einer sogenannten Arbeitskolonie für verurteilte Alkohollenker zu einem Vorzeigebeispiel für das stufenweise offene finnische Strafvollzugssystem entwickelt.

Rund 100 Häftlinge beherbergt das Gefängnis heutzutage im Schnitt, weitere 40 Verurteilte leben, mit einer elektronischen Fußfessel ausgestattet, in einer der unter den Stadtbewohnern äußerst begehrten Gemeindewohnungen der Insel.

Mauerarbeiten und Grünpflege

Tagsüber werden die Häftlinge vorwiegend mit Instandhaltungs- und Renovierungsarbeiten an den weitläufigen Festungsanlagen auf der Insel beschäftigt. Die Aufgaben reichen dabei von Mauerarbeiten über das Anlegen von Sicherungseinrichtungen bis hin zur Grünpflege der fast rundum begehbaren Festungswälle.

Die Unterkünfte der Insassen sind modern, hell und unter Anwendung von viel Naturholz durchaus ansprechend und für Helsinkier Verhältnisse überdurchschnittlich gemütlich gestaltet und ausgestattet. Der weitläufige Grünbereich der eingezäunten Gefängnisanlage inkludiert einen Grillpavillon, Hochbeete zum Eigenanbau von Gemüse und einen Meerblick, für den unbescholtene Normalbürger anderswo in der finnischen Hauptstadtregion gewaltige Summen hinblättern müssen. Dementsprechend entspannt wirkt die Stimmung unter den "Klienten", wie ihre offizielle Bezeichnung lautet.

"Wie ein Halbgefängnis"

"Es ist wie ein Halbgefängnis", sagt Jerry, ein aus Gambia stammender Niederländer, der vor zwei Jahren bei einem Drogendelikt erwischt wurde und in der Folge zu 15 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Seine in Großbritannien lebende Frau kommt ihn alle zwei Monate besuchen.

Im Zivilleben ist er DJ. Hier ist er beim Bautrupp für die historischen Sehenswürdigkeiten dabei. "Man ist viel an der frischen Luft" lacht er und freut sich schon auf seine endgültige Freilassung. Schon im September will er zu seiner elfjährigen Tochter nach Amsterdam zurückkehren.

Fortschrittlicher Strafvollzug

Das finnische Strafvollzugssystem gilt als eines der fortschrittlichsten der Welt. Nur in Dänemark sei der Anteil der Häftlinge im offenen Strafvollzug höher, erzählt Gefängnisdirektorin Sinikka Saarela. Ein Drittel (947) aller Ende 2018 in Finnland einsitzenden Personen (2.842) befand sich im offenen Strafvollzug.

Insgesamt gibt es derzeit im ganzen Land 19 Gefängnisse, die ganz oder teilweise offenen Strafvollzug betreiben. Entsprechend der niedrigen Frauenrate bei den Häftlingen – zuletzt rund acht Prozent – ist nur eines davon, jenes im 100 Kilometer nördlich von Helsinki gelegenen Hämeenlinna, ausschließlich für weibliche Insassen bestimmt. Auf Suomenlinna gibt es nur männliche Häftlinge.

Dreistufiges System

Das finnische System ist ein dreistufiges. Zunächst büßen die Verurteilten einen Teil ihrer Haft in geschlossenen Anstalten ab, dann wechseln sie in den offenen Strafvollzug und des Weiteren in eine Art betreutes und überwachtes Wohnen inklusive einer breiten Angebotspalette an diversen Rehabilitationsaktivitäten.

Schon im offenen Strafvollzug bestehen für die "Klienten" zahlreiche geförderte Weiterbildungsmöglichkeiten. Während der gesamten Urteilsdauer gilt Alkohol- und Drogenverbot. Wer dagegen oder andere Auflagen verstößt, wird zunächst verwarnt, beim zweiten Verstoß jedoch muss die betroffene Person für einige Tage in den Arrest gehen. Danach droht die Rückversetzung in ein geschlossenes Gefängnis.

Verwaltet wird das finnische Strafvollzugssystem von der staatlichen Strafsanktionen-Agentur (Rise), die direkt dem Justizministerium untersteht. Derzeit gibt es laut Rise-Direktor Esa Vesterbacka keine Pläne, den Anteil der offenen Gefängnisse innerhalb des finnischen Systems auszuweiten. Zuletzt standen dem Strafvollzug Budgetmittel in Höhe von rund 230 Millionen Euro zur Verfügung, viereinhalb davon allein für die Einheit auf Suomenlinna.

Mehr Ausländer in Helsinki

Insgesamt beschäftigt Rise 1.400 Arbeitnehmer, das Personal in Suomenlinna besteht aus 34 Mitarbeitern. Hier in Helsinki ist der Ausländeranteil unter den Häftlingen mit 20 bis 30 Prozent fast dreimal so hoch wie im landesweiten Durchschnitt.

Die meisten der verurteilten Ausländer kommen übrigens aus Estland. Letzteres dürfte mit den vielen, vor allem im Bausektor und zu teils fragwürdigen Bedingungen beschäftigten Esten zusammenhängen. (Andreas Stangl aus Helsinki, 29.7.2019)