"Heimische Bauern versuchen sich im Süßkartoffelanbau." Nach einem Bericht im "Kurier" verfasste vor wenigen Wochen sogar die Austria Presseagentur eine Meldung über Markus Habermanns Hobby. Er wirkt ein wenig überrascht, denn mehr als eine Freizeitbeschäftigung ist es nicht, was der 35-jährige Niederösterreicher, wohnhaft in Wien und Mitarbeiter der Landesregierung in St. Pölten, derzeit auf dem Grund seiner Eltern in Herrnbaumgarten im nördlichen Weinviertel ausprobiert.

Die erste Süßkartoffel-Ernte haben Markus Habermann und Julia Nöbauer 2018 eingeholt. Dass sie ihre Jobs in Büro und Schule komplett gegen die Feldarbeit eintauschen, können sie sich aber nicht vorstellen.
Foto: rwh

Nach einem Studienaufenthalt in New Orleans, wo er auf den Geschmack von Süßkartoffeln kam, begann Habermann zu experimentieren. Zuerst schaute er sich Youtube-Tutorials an, dann begann er, Pflanzen auf dem Fensterbrett der Wiener Wohnung zu ziehen, wenige Monate später setze er erstmals Setzlinge ins Erdreich. Das Resultat der letztjährigen Ernte waren 200 Kilo. Heuer erwarten die Habermanns einen größeren Ertrag, zumal sie ein automatisches Bewässerungssystem installiert haben. Aber so genau wissen sie es nicht. Süßkartoffeln sind in Österreich noch nicht sehr verbreitet.

Exotisches Gemüse

Es gibt keine Zahlen über heimische Anbaumengen des exotischen Gemüses, die viel Wärme braucht und meist aus Israel, Spanien oder den USA importiert wird. Insofern steht das Sammeln von Erfahrungswerten derzeit im Mittelpunkt. Das fängt an beim Erkennen des richtigen Erntezeitpunkts bis zum Ermitteln der besten Lagerung.

Die Süßkartoffeln werden aus Südamerika, Israel oder Spanien importiert.
Foto: süsskartoffel.at

Süßkartoffeln zählen zu den Windengewächsen, nicht wie die Erdäpfel zu den Nachtschattengewächsen. Nicht nur die Knolle wird verkocht – "von Suppe bis Eis ist alles möglich", so Habermann –, auch die Blätter können für spinatähnliche Gerichte genutzt werden. Süßkartoffeln schmecken leicht süßlich, enthalten wenig Fett, sind trotzdem nahrhaft, liefern Mineralstoffe, Vitamine und Ballaststoffe.

Zwar wächst der Bekanntheitsgrad – etwa durch Süßkartoffelchips, die gerne zu Burgern serviert werden –, will man Süßkartoffeln im Supermarkt kaufen, muss man jedoch lange Transportwege in Kauf nehmen.

Habermann vertreibt die Ware via Homepage. Auf süßkartoffel.at kann man Fünf-Kilo-Säcke erwerben. Als sich kürzlich ein renommierter Feinkostbetrieb aus dem ersten Wiener Bezirk als Kooperationspartner anbot, wusste Habermann, dass er eine Marktlücke aufgespürt hat.

Marktlücke

Dass Habermann und seine Freundin Julia Nöbauer, die in Wien als Lehrerin arbeitet, aufs Land ziehen, um sich hauptberuflich dem Experiment Süßkartoffel zu widmen, ist derzeit dennoch nicht geplant. Vielmehr sehen sie sich als Ideengeber – auch für Bauern aus der Region. In den vergangenen Jahren hatten Erdäpfelbauern wegen des Befalls durch den Drahtwurm mit Ernteausfällen zu kämpfen. Der Klimawandel ermöglicht neue Wege. Nicht nur Süßkartoffeln werden im Weinviertel angebaut, andere Bauern spezialisieren sich bereits auf Safran oder Reis.

Auch die Blätter können zu Essen verarbeitet werden.
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Die Nachbarschaft ist aber noch zurückhaltend. "Das Interesse ist überschaubar, Skepsis ist da", so Habermann. Nur selten bleibe jemand beim Feld stehen, um sich zu erkundigen, was es mit der neuartigen Bewachsung auf sich hat – zumal die Produktionsbedingungen nicht einfach sind. Man muss die Setzlinge händisch einsetzen und die reife Frucht auch wieder händisch ernten. Habermanns Eltern, seine Tante und Oma helfen mit. Die Großeltern hatten einst selbst eine Landwirtschaft, die aber irgendwann nicht mehr fortgeführt wurde.

Herrnbaumgarten im nördlichen Weinviertel hat rund 950 Einwohner.
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Der Ort Herrnbaumgarten ist geprägt durch bäuerliche Strukturen und bekannt für den Weinbau. Es verschlägt immer mehr Touristen in den Ort nahe der tschechischen Grenze. Die Nächtigungszahl liegt aktuell bei rund 12.000 im Jahr. Grund dafür ist auch das Nonseum, in den 1990ern von Fritz Gall ins Leben gerufen. Es handelt sich um eine Art Museum für unnütze Gegenstände, wo etwa ausrollbare Zebrastreifen oder der halbautomatische Nasenbohrer ausgestellt werden. Wurde es anfangs noch belächelt, ist nun das gesamte Tourismuskonzept darauf aufgebaut. Am Ortseingang wartet auf einer Wäscheleine bereits die "1. internationale Einzelsockensammlung".

"Kreative Wege zu gehen ist in unserem Ort angesagt", sagt Habermann. Die Süßkartoffeln sieht er als seinen Beitrag dazu. (Rosa Winkler-Hermaden, 29.7.2019)