Ein ICE steht auf Gleis 7 des Frankfurter Hauptbahnhofs, nachdem kurz vor Einfahrt des Zuges eine Mutter und ihr Kind auf die Gleise gestoßen worden sind.

Foto: APA/dpa/Frank Rumpenhorst

Ein Notarztwagen steht vor dem Frankfurter Hauptbahnhof.

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Frankfurt am Main – Der mutmaßliche Täter von Frankfurt wurde seit vergangenem Donnerstag von der Schweizer Polizei gesucht. Der Mann habe seine Nachbarin mit einem Messer bedroht, gewürgt und eingesperrt und sei dann geflohen. Daraufhin sei er in der Schweiz zur Festnahme ausgeschrieben gewesen, gaben die deutschen Behörden am Dienstagnachmittag bekannt.

"Er war auch im Vorfeld mit entsprechenden Delikten bereits in der Schweiz auffällig", sagte der deutsche Bundespolizeipräsident Dieter Romann am Dienstag in Berlin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Holger Münch, Präsident des deutschen Bundeskriminalamts (BKA). Zur Person des mutmaßlichen Täters sagte Romann weiter, er sei 1979 in Eritrea geboren, verheiratet und Vater dreier Kinder. Seinen Wohnsitz habe er in der Schweiz.

Verdächtiger als "Beispielfall gelungener Integration"

2006 sei der Mann unerlaubt in die Schweiz eingereist und habe dort Asyl beantragt, was ihm zwei Jahre später gewährt worden sei. "Er besitzt seitdem in der Schweiz die Niederlassungsbewilligung der Kategorie C, das heißt gut integriert", sagte Romann. Der Verdächtige sei einer festen Arbeit nachgegangen, "aus Sicht der Ausländer- und Asylbehörden in der Schweiz vorbildlich". Der Mann sei in Publikationen sogar als Beispielfall gelungener Integration genannt worden, sagte Innenminister Horst Seehofer.

Nach Angaben der Schweizer Behörden habe sich der Mann seit diesem Jahr in psychiatrischer Behandlung gefunden. Es hätten aber "keine Hinweise auf eine Radikalisierung oder ein ideologisches Motiv" vorgelegen, teilten die Schweizer Ermittler am Dienstag in Zürich mit. Es liefen weitere Ermittlungen zu seinem Gesundheitszustand. Er habe aber "ganz offensichtlich psychische Problemen" gehabt.

Haftbefehl wegen Mordes beantragt

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat im Fall eines vor einen Zug gestoßenen achtjährigen Buben Haftbefehl wegen Mordes beantragt. Ein 40-jähriger Eritreer werde wegen Mordes und zweifachen Mordversuchs noch am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt, sagte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen. Der Mann sei verheiratet und habe selbst drei Kinder.

Der Beschuldigte schweige bisher zu der Tat. Täter und Opfer, neben dem Buben auch dessen Mutter, die sich retten konnte, hätten einander nicht gekannt. Ein Test habe zudem ergeben, dass der Mann keinen Alkohol getrunken habe. Es gebe auch keine Hinweise auf Drogen und keine Erkenntnisse über eine Verbindung zu einer Tat in der hessischen Kleinstadt Wächtersbach. Dort hatte ein Deutscher offenbar aus rassistischen Motiven einen Eritreer mit einem Bauchschuss schwer verletzt und sich anschließend selbst getötet.

Diskussion über Sicherheitsvorkehrungen

Die Tat hat in Deutschland eine Diskussion über die Sicherheit auf Bahnhöfen ausgelöst. Politiker und Polizeigewerkschafter schlugen mehr Sicherheitsmaßnahmen und eine stärkere Polizeipräsenz vor. Innenminister Horst Seehofer (CSU) unterbrach seinen Urlaub, um Gespräche mit Sicherheitsbehörden über die Attacke von Frankfurt und andere Gewalttaten der jüngsten Zeit zu führen. Am Nachmittag wollte er sich vor der Presse äußern.

Der Achtjährige war am Montagvormittag zusammen mit seiner Mutter auf die Gleise gestoßen worden. Die Mutter konnte sich noch retten, das Kind hingegen wurde von dem einfahrenden Zug überrollt und erlag seinen Verletzungen. Es gibt mehrere Zeugen. Laut einer Polizeisprecherin hat ein 40-jähriger Mann eritreischer Herkunft den Buben und dessen Mutter auf die Gleise gestoßen.

Der Deutsche-Bahn-Mitarbeiter Georgio Angelopoulos sagte der "Bild"-Zeitung: "Ich habe gesehen, wie er den Jungen ins Gleis geschubst hat. Der Lokführer hatte keine Chance."

Der Verdächtige wurde in der Nähe des Hauptbahnhofs festgenommen. Der mutmaßliche Täter hat bis zuletzt im Kanton Zürich in der Schweiz gelebt. Wie die Schweizer Polizei am Dienstag mitteilte, war der Mann mit eritreischer Staatsbürgerschaft im Besitz einer Niederlassungsbewilligung. Eine Niederlassungsbewilligung wird Ausländern in der Schweiz nach einem Aufenthalt von fünf oder zehn Jahren ausgestellt. Niedergelassene haben damit laut dem Staatssekretariat für Migration ein unbeschränktes Aufenthaltsrecht.

Verdächtiger reiste vor wenigen Tagen ein

Unklar sei noch, warum der Mann vor einigen Tagen aus der Schweiz nach Deutschland eingereist sei und welches Aufenthaltsrecht er habe. "Er hat angegeben, er sei vor wenigen Tagen von Basel mit dem Zug nach Frankfurt gefahren", sagte die Oberstaatsanwältin. In Deutschland sei er nicht polizeibekannt gewesen.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schilderte den Vorfall am Bahnhof so: "Die 40 Jahre alte Mutter überlebte verletzt und konnte sich auf einen Fußweg zwischen den Gleisen retten. Der mutmaßliche Täter soll im Anschluss versucht haben, eine weitere Person auf die Gleise zu stoßen, die sich jedoch in Sicherheit bringen konnte."

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier zeigte sich fassungslos: "Der Tod eines Jungen im Frankfurter Hauptbahnhof erschüttert mich. Ich spreche der Familie mein tief empfundenes Mitgefühl aus." Der Frankfurter Hauptbahnhof gehört zu den größten Bahnhöfen Deutschlands und wird täglich von fast 500.000 Menschen besucht.

Ähnliche Attacke durch Kokain-Konsumenten

Erst am Samstag voriger Woche war im Bahnhof der niederrheinischen Stadt Voerde eine 34 Jahre alte Mutter vor einen Regionalzug gestoßen worden und ums Leben gekommen. Der 28-jährige Tatverdächtige – ein in Deutschland geborener Serbe – sitzt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Nach den Untersuchungen einer Blutprobe gibt es bei dem 28-Jährigen Hinweise auf Kokainkonsum. Es seien bei ihm Abbauprodukte von Kokain im Blut nachgewiesen worden. "Das heißt aber nicht, dass er konkret unter Kokaineinfluss stand", sagte der Duisburger Staatsanwalt am Montag. (red, APA, 29.7.2019)