Blöder Blues, Hörstücke, funky Beats mit Stock im Arsch, bei Helge Schneider ist alles möglich.

Foto: Kaka Dopulus

Der erste Song dieser neuesten Ausformung monumentalen künstlerischen Irrsinns aus Mülheim an der Ruhr fordert den Hörer mit einer Länge von sieben Minuten und 50 Sekunden gleich einmal sehr. "Dance to the Music (Music is the Language)" zieht mit den wesentlichen Forderungen "Dance to the Music!", "Move Your Body!" und "On the Floor!" mit dem textlichen Minimalismus des lyrischen Schaffens von Scooter mit großer Lockerheit gleich – wobei natürlich Scooters "Lass uns tanzen oder ficken oder beides, denn morgen sind wir tot" gegen "Move your body!" Weltrekord bedeutet.

Dafür ist die gut hinter einer funky aufspielenden Jazzband mit gebrochenen Fingern versteckte teutonische Zackigkeit mit dem Besen im Arsch von Helge Schneider als altem (deutsch ausgesprochen!) Jazzer natürlich souverän gesetzt. So etwas gelingt nur einem großen Könner. Wahrscheinlich deshalb gilt Schneider mit seinen heute 63 Jahren als jüngster Musiker, der jemals in der Staatsoper beim Jazzfest Wien spielen durfte. Das war 2009, Schneider war noch ein Kind: "Manchmal ist in der Wundertüte des Lebens nur Puffreis drin", heißt es rückblickend in der aktuellen Klavierballade "Wundertüte".

Taubheit als Chance

Die Jazzband, die man hinter dem Kommandogebell von Helge Schneider hört, das ist übrigens der Meister selbst. Helge Schneider spielt auf dem neuen Album Bass, Schlagzeug, Klavier, Saxofon. Nur manchmal dürfen ihm ein Gitarrist und ein Drummer helfen. In einen weiteren Dialog mit sich selbst als Kunde und Greißler tritt Schneider dann im die Nerven ähnlich wie ein Film von Pierre Richard belastenden Hörspiel "Einkaufen". Musik ist hier nicht mehr nötig, man wird auch so wahnsinnig.

Leider liegt noch keine aktuelle neue Musik vor, deshalb hier ein älterer Sommerhit.
HelgeSchneiderVEVO

Das neue Album Helge Schneiders trägt den schönen Titel "*** Partypeople *** (beim Fleischer)". Wie man anschließend im flotten Swing "Wenn der Komet kommt" und seiner tiefen Erkenntnis "Wenn der Komet kommt, dann macht er alles kaputt" feststellen kann, gibt es auch in der Welt des verschrobenen deutschen Komikers so etwas wie eine dramaturgische Entspannung. Wenn man sich auf eine sanft und bauchig, aber falsch gespielte Jazzgitarre konzentriert, muss man nicht immer hundertprozentig auf die lustig geknödelten Texte hören. Taubheit als Chance.

"Saxophonoutlet" kurz vor dem dankenswerterweise sehr guten Sprechstück "Beim Fleischer" (über den Unterschied von Fleisch- und Leberwurst) ist sogar eine lupenreine und ernst gemeinte Saxofonballade nur mit Klavierbegleitung.

Ist das lustig oder Kifferschrott?

Allerdings kann man angesichts eines seit gut 25 Jahren unvermittelt anhaltenden Erfolgs des kabarettistischen Musikers, der eigentlich immer als Musiker anerkannt werden wollte und nicht als Schöpfer sich auf die Formate, Buch, Film, Fernsehen ausdehnenden Eigenbrötler- und Gagatums, nach wie vor über eines streiten: Ist der Mann, der der Welt einst das Lied "Katzeklo" schenkte, lustig – oder handelt es sich doch nur um spinnerten Kifferschrott für die Studentenkeller dieser Welt?

Wer Helge Schneider live schon einmal an einem schlechten Abend erwischt hat, weiß, was der Begriff Fallhöhe bedeutet. Wenn Helge Schneider allerdings der Teufel reitet, dann kann man mitunter wirkliche Höhepunkte des spontanen absurden Humors erleben.

Die zweite Hälfte des "Partypeople"-Albums gerät mit müden, weitgehend instrumentalen Funk- und Soulstudien wie dem Titelstück oder dem "Politsong" oder einer Cowboy-Romantik- und "House of the Rising Sun"-Paraphrase namens "Lonely Pony" oder den zwei doofen Lustigblues-Stücken "Leberblues" (oh, mein Gott) und "Kirmesblues" sehr, sehr durchwachsen. Das kann Helge Schneider wesentlich besser. Im Herbst wieder live in Österreich. (Christian Schachinger, 30.7.2019)