Norbert Steger, von der FPÖ entsandter Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats, ist zurück im ORF – und er könnte das wichtigste Entscheidungsorgan des Rundfunks noch Jahre über die Nationalratswahl hinaus leiten. Im STANDARD-Gespräch bedauert Steger, genesen von einer Herzoperation, Wortmeldungen von FPÖ-Politikern, die ein neues ORF-Gesetz unter Türkis-Blau verhindert hätten: "Das ist ein schwerer Schaden für den ORF", man habe eine "historische Chance vergeben".

"Ständige Blödheiten" von FPÖ-Politikern

Steger spricht von "ständigen Blödheiten", die einige FPÖ-Politiker "meistens in der 'Krone'" geäußert hätten. Diese "Blödheiten" beschreibt er so: "Wrabetz weg und Wrabetz weg, das ist nicht Politik." Politik wäre, ein "fertiges Gesetz" auch zu beschließen – "und es war wirklich fertig" und die Regierung von ÖVP und FPÖ "so weit, es einzubringen".

Steger nennt FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky und FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein, die geglaubt hätten, mit Parolen wie der Abschaffung der GIS-Gebühren die Europawahl zu gewinnen. Dabei habe der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach Protesten der überwiegend bürgerlichen Landeshauptleute gegen ein Ende der Rundfunkgebühren erklärt, dass die GIS zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschafft werde, erklärt Steger im STANDARD-Gespräch.

"Logisch, dass ORF-Journalisten mit FPÖ nicht kooperieren"

Steger erinnert sich an eine interne Sitzung, in der ihm FPÖ-Mediensprecher Jenewein Recht gegeben habe in seiner Einschätzung der ORF-Journalisten und des Umgangs der FPÖ mit ihnen. Steger umreißt diese Einschätzung im STANDARD-Gespräch so: "Es kann schon sein, dass im ORF viele Linke sind, die meisten sind aber einfach Journalisten, wollen ihren Job machen und nicht jeden Tag attackiert und bekämpft werden. Dann werden sie nicht kooperieren, das ist doch logisch."

ORF-Stiftungsratschef Norbert Steger (rechts, mit ORF-General Alexander Wrabetz): "Es kann schon sein, dass im ORF viele Linke sind, die meisten sind aber einfach Journalisten, wollen ihren Job machen und nicht jeden Tag attackiert und bekämpft werden. Dann werden sie nicht kooperieren, das ist doch logisch."
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Steger weiter: "Die FPÖ hat sich mit ihren Angriffen auf Dauer vergeben, im ORF auch nur wohlwollend behandelt zu werden. Das ist das Problem." Die wenige Monate nach Antritt der ÖVP-FPÖ-Regierung installierten Channel-Manager für ORF 1 und ORF 2 – Lisa Totzauer und Alexander Hofer – hätten sich "nie unkorrekt zur FPÖ verhalten", sagt Steger. "Aber schon drunter" sieht er das anders, äußert jedoch Verständnis: "Warum soll jemand korrekt sein, wenn er glaubt, sein Job ist in Gefahr?"

Korrespondenten "nicht korrekt"

Damit unterstellt Steger den ORF-Journalisten, nicht korrekt zu handeln. Das hat er nach der Wahl 2017 und der Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ mehrfach scharf formuliert – etwa über einen Rauswurf von Journalisten gesprochen und auch "nicht korrekt" berichtenden Korrespondenten mit (Job-)Kürzungen gedroht.

Steger erklärt diese Äußerungen im STANDARD-Gespräch damit, dass er "am Anfang die Gruppe ordnen musste". Statt des Einzelkämpfers Steger gab es nun eine FPÖ-nahe Fraktion im Stiftungsrat; Steger suchte (wieder einmal) eine Positionierung zwischen dem alten Freund der Familie Wrabetz und der angriffigen FPÖ.

Steger betont neuerlich: Die "Salzburger Nachrichten" hätten seine Aussagen über den Rauswurf von ORF-Journalisten "derartig verkürzt, dass sie den falschen Touch bekommen haben. Das war nie die eigentliche ultima ratio", das habe er auch in einer Aussprache mit dem Redakteursausschuss klargestellt. Aber natürlich müsse es Konsequenzen geben, wenn jemand "permanent gegen Richtlinien verstößt" – das sei bei der "New York Times" oder dem STANDARD nicht anders. Die Aussagen hätten sich aber nicht an die ORF-Redakteure gerichtet, sondern an ORF-General Wrabetz, "der das auch so verstanden hat". Und dennoch, räumt Steger selbstkritisch ein: "Schlau war das nicht."

Schwerer Digital-Schaden ORF-Gesetz

Ausverhandelt waren zwischen ÖVP und FPÖ laut Steger vor allem künftig weitaus größere Möglichkeiten für den ORF in der digitalen Welt. Der ORF darf bisher etwa laut ORF-Gesetz von 2010 keine Video- oder Audiobeiträge ausschließlich für das Web (und insbesondere mobile Nutzung) produzieren. TV- oder Radiosendungen dürfen (mit wenigen Ausnahmen) nur sieben Tage lang abrufbar sein – bei ARD und ZDF wurde das Limit inzwischen auf einen Monat erhöht, die BBC soll das bald ein Jahr lang dürfen.

Nicht ausdiskutiert waren laut Steger öffentliche Unterstützungen für andere Medien: "Es war klar, dass auch andere Medien Möglichkeiten kriegen müssen, wenn der ORF mehr Möglichkeiten bekommt", sagt Steger. Das sollte nach Stegers Angaben ebenso im parlamentarischen Prozess geklärt werden wie die Frage, "ob der ORF alle Sender braucht". Das hinterfragte Steger schon unmittelbar nach der Angelobung der ÖVP-FPÖ-Regierung.

Die Onlinebeschränkungen behindern auch die geplante ORF-Streaming- und Social-Media-Plattform ORF-Player. Teile des Players sollen nach jüngsten Ankündigungen Ende dieses Jahres starten. Ein neues ORF-Gesetz der nächsten Bundesregierung dürfte nicht vor Mitte 2020, eher mit Ende 2020 in Kraft treten. Diese Verzögerung sieht Steger als "schweren Schaden".

Wrabetz hat sich "zu viel gefreut"

ORF-Generaldirektor Wrabetz hat sich also "viel zu viel gefreut", dass die Regierung von ÖVP und FPÖ am 18. Mai platzte, ohne ein neues ORF-Gesetz beschlossen zu haben, sagte Steger auch am Montag dem ORF-Chef, mit dem er engen Kontakt pflegt. Von dem ersten Treffen mit Wrabetz nach Stegers Herzoperation berichtete die "Krone" am Dienstag.

Wrabetz' Freude über das nicht mehr eingebrachte Gesetz dürfte insbesondere an der geplanten Führungsstruktur gelegen sein: Statt eines Alleingeschäftsführers planten ÖVP und FPÖ für Österreichs größten, rund eine Milliarde Umsatz schweren Medienkonzern einen Vorstand mit mehreren Mitgliedern (kolportiert: vier). Steger beruhigt Wrabetz: "Ob er allein unterschreibt, ist vergleichsweise unwichtig."

Wrabetz' Dienstvertrag als ORF-Generaldirektor läuft noch bis Ende 2021; der Vertrag – rund 430.000 Euro im Jahr – ist jedenfalls auszubezahlen. In Diskussion war in der ÖVP-FPÖ-Regierung, Wrabetz auch nach einem neuen ORF-Gesetz als Vorstandsmitglied in der ORF-Führung zu belassen.

Steger als Stiftungsratschef nicht abwählbar

Jedenfalls bis zu einem neuen ORF-Gesetz ist Norbert Steger zum Stiftungsratsvorsitzenden bestellt und "nicht abwählbar, das steht im Gesetz", sagt Steger. Und: "Ich bin auch von einer neuen Regierung nicht zu entfernen", zitiert er Josef Lusser, kundiger ORF-Jurist und Leiter des ORF-Gremienbüros.

Die FPÖ könnte nach der Wahl einen neuen Vertreter statt Steger in den Stiftungsrat entsenden, würde dann aber mit Steger auch die durchaus gewichtige Funktion des Stiftungsratschefs verlieren.

Wie sehr hängt Steger (75) selbst an der Funktion? "Man kämpft nicht, dass man bleibt." Aber: "Man will wenigstens von denen gelobt werden, die einen geschickt haben" – also von der FPÖ.

Steger sieht bei "Hohes Haus"-Moderation Unvereinbarkeit

Steger ortet bei ORF-Moderatorin Patricia Pawlicki eine Unvereinbarkeit zwischen der Moderation des Parlaments-Magazins "Hohes Haus" und ihrer Ehe mit Neos-Quereinsteiger Helmut Brandstätter, berichtet "Österreich" laut Vorabmeldung in ihrer Mittwoch-Ausgabe.

Laut Steger kann es nicht sein, "dass ein Familienmitglied auch nur Themen bearbeitet oder gar moderiert, die ein anderes Familienmitglied betreffen." Steger ortete im ORF Verständnis für die Problematik: "Ich glaube aber, im ORF hat man das erkannt – und sucht bereits nach Ersatz für sie." (fid, 30.7.2019)