Wien – Palmen gelten nicht zu Unrecht als Sinnbild für tropisches Klima. Die rund 2.600 rezenten Arten aus der Familie der Palmengewächse sind fast nur in tropischen und subtropischen Gebieten der Erde zu finden. In Europa sind Palmen mit zwei Arten auf das Mittelmeergebiet beschränkt. In den letzten Jahrzehnten wurde die aus Ostasien stammende Hanfpalme vermehrt auch in Österreich als Zierbaum angepflanzt, wobei ein Überdauern strenger Winter jedoch lange Zeit nur in Glashäusern möglich war.

Das könnte sich mittlerweile dank des Klimawandels geändert haben: Wissenschafter der Universität Wien haben in Österreich erstmals das Vorkommen verwilderter Hanfpalmen (Trachycarpus fortunei) nachgewiesen. Wie eine Studie des Teams um Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung zeigt, existieren kleine Populationen an sechs unterschiedlichen Fundorten. Ausgangspunkt für die im Fachjournal "BioInvasions Records" veröffentlichte Arbeit waren Beobachtungen Essls, dem ab 2015 diese Palmen ab und zu in Wien aufgefallen sind.

Hanfpalmen (Trachycarpus fortunei), hier eine Population in einem Laubwald im Tessin, breiten sich in Österreich aus.
Foto: Brigitte Marazzi

Gewinner und Verlierer des Klimawandels

Die letzten Jahre waren in Österreich bis zu zwei Grad Celsius wärmer als der langjährige Durchschnitt. Der Sommer 2019 zeigt einmal mehr, dass lang andauernde Hitzeperioden inzwischen regelmäßig auftreten. Das hat auch Auswirkungen auf Flora und Fauna: Viele heimische Arten, die an kühleres Klima angepasst sind, leiden unter dem zunehmenden Hitze- und Trockenstress. In der Folge verschwinden sie aus tiefen Lagen, was letztlich auch negative Auswirkungen auf die Land- und Forstwirtschaft hat, wie an den Schäden vieler Bäume in österreichischen Wäldern in tiefen Lagen klar erkennbar ist.

Allerdings gibt es auch Gewinner des Klimawandels: Anpassungsfähige, Wärme liebende Arten – und darunter vor allem viele vom Menschen eingeführte exotische Spezies – verbreiten sich immer mehr. Viele dieser sogenannten Neobiota aus wärmeren Weltgegenden konnten sich in Österreich bisher jedoch nicht dauerhaft halten, weil winterliche Fröste und zu kühle Sommer ihnen im Weg standen.

Video: Palmen in Österreich als Folge des Klimawandels
Universität Wien

Palmenausbreitung in Wien, Nieder- und Oberösterreich

Dazu zählte in der Vergangenheit auch die aus Ostasien stammende Hanfpalme. In der von Essl und seinen Kollegen verfassten Studie konnte nun aber nachgewiesen werden, dass Hanfpalmen in den letzten Jahren als Folge des Klimawandels nicht nur zunehmend den Winter im Freien gut überdauern, sondern dass sie sich mittlerweile sogar ausbreiten können. "Insgesamt sechs Fundorte verwilderter junger Palmen sind für Österreich bekannt geworden", erläutert Essl. Vier liegen in Wien, je einer in Bad Deutsch-Altenburg in Niederösterreich und in Luftenberg an der Donau (OÖ). "Dadurch, dass es schon mehrere Fundorte in nur wenigen Jahren geworden sind, ist das doch ein Anzeichen für eine beginnende Ausbreitung."

"Bislang handelt es sich nur um kleine Vorkommen besonders in Städten wie in Wien, und es wurden ausschließlich junge verwilderten Palmen aufgefunden", ergänzt Essl. "Aber, in einigen Jahrzehnten könnten Palmen in Österreich schon häufiger verwildert angetroffen werden." Ihren Erfolg in zumindest vormals eher alpin geprägten klimatischen Umgebungen verdankt die Pflanze auch dem Umstand, dass sie "von Natur aus die kältetoleranteste Palme ist", so Essl. Sind die Winter derart mild wie in letzter Zeit in Wien und Umgebung, sei ihr Überleben relativ gesichert. Immerhin waren die vergangenen Jahre um bis zu zwei Grad Celsius wärmer als der langjährige Durchschnitt.

So sieht es bereits heute in einigen Wäldern der Süd-Schweiz aus. Das könnte in einigen Jahren auch unseren Wäldern blühen.
Foto: Brigitte Marazzi

Schweizer Palmenproblem

Dies zeigt auch ein Blick über die Grenze in die Süd-Schweiz. Dort kommt die Hanfpalme im Tessin auf der Südseite der Alpen in einem etwas wärmeren Klima als in Österreich seit einigen Jahrzehnten verwildert vor und dringt auch massiv in die Wälder ein. Auch in nördlicheren Schweizer Städten wie Zürich sei das Phänomen im Vergleich zu Österreich bereits um zehn bis 15 Jahre fortgeschritten. Palmen könnten daher in nicht allzu ferner Zukunft in österreichischen Wäldern möglicherweise kein ungewöhnlicher Anblick mehr sein.

Generell belegt die Studie, dass der Klimawandel schon heute gravierende Auswirkungen auf das Vorkommen vieler Arten hat. Während angestammte Arten damit mitunter schlecht zurecht kommen und in höhere Lagen ausweichen müssen, setzen sich anpassungsfähige eingeschleppte Arten in den warmen Tieflagen fest. "Das zeigt, dass diese Veränderung nicht nur etwas ist, was in der Zukunft passieren wird, sondern schon heute zu spüren ist. Das unterstreicht die Notwendigkeit, viel ambitionierter als bisher Klimaschutz zu betreiben", betonte Essl. (tberg, red, 30.7.2019)