Ein Grätzlwirt der zeitgemäßen Art möchte das Albert für die Josefstadt sein – und zwar einer mit richtig guten Weinen.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Albert hat einen Schanigarten. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Kussmaul in der Bäckerstraße und wohl der Grund, warum Mario Bernatovic dieser Tage meist hier und nicht im nominell feineren Innenstadtrestaurant anzutreffen ist: Ohne Garten kannst den Sommer gleich vergessen, uralte Wiener Gastroweisheit.

Das Lokal, seit Anfang der Nullerjahre eine Cocktailbar, wurde vom neuen Betreiber frisch auf Abbruch-Chic ausgemalt. Hinter der Theke teilen sich jetzt Koch und Keeper den Platz, eine Nichtraucherkabine im rückwärtigen Teil gibt es auch. Die Musi spielt dieser Tage aber ohnehin im Garten. Davor sollte man jedoch zu den massiven Weinkühlschränken im Lokal, da stehen an die 150 Flaschen samt Preisauszeichnung zur Auswahl. Und es sind fast durchwegs sehr erfreuliche Tropfen, die man hier entdecken kann, viel Naturbelassenes, etliche Orange-Weine, mit besonderem Schwerpunkt auf den Balkan. Den fein balancierten Lambda von Melissanthe und Jason Ligas aus Mazedonien (Griechenland) zum Beispiel wird man anderswo in Wien kaum finden, Ottocento von Giorgio Clai aus Istrien ebenso. Die Aufschläge sind durchwegs moderat, das ist – anders als in Paris oder London – in Wien immer noch eine Seltenheit.

Burger, Schinken, Oliven

Beim Essen hat der Wirt es sich vergleichsweise leicht gemacht: ein paar Burger (darunter auch ein derweil nicht vorrätiges Hummersemmerl mit Yuzu und Passionsfrucht um 26 Euro), ein paar leicht variierte Standards aus dem Kussmaul-Repertoire, Snacks wie Rohschinken, Käse und Oliven. Die eine oder andere sehr lässig, manchmal gar nachlässig auf die Teller beförderte Vorspeise gibt es auch.

Den letzten Spargel der Saison (unser Besuch fand bereits vor ein paar Wochen statt, Anm.) gart Bernatovics Mann in der Küche einigermaßen knackig, häuft darauf fein gehobelten Fenchel, Ziegenfrischkäse, Orangenfilets. Eine hauchdünne Scheibe vor längerer Zeit gerösteten Brots ist auch noch dabei, leider gar nicht mehr knusprig. Davon abgesehen: sehr erfrischend, das alles.

Beef Tartare gibt es, wie überall, auch hier. Es als seltsam feuchten Gatsch aus zwar gehacktem, aber unangenehm nassem Fleisch auf den Teller zu klatschen, einen rohen Wachtelei-Dotter daraufzusetzen und überreichlich scharfe Chilimayo rundherum zu spritzen ist aber keine gute Idee. Überhaupt sind rohe oder pochierte Eier legendär schwierig als Foodpairing zu Wein – und von Sommeliers auch deshalb gefürchtet, weil sie die Tendenz haben, das Weinglas des Essenden mit unangenehmem Nachgeschmack zu kontaminieren.

Ei weia

Davon weiß man in dieser Weinbar nix, die schmale Karte hat gleich zwei weitere Eierspeisen zur Auswahl. Zum einen Bernatovics aus dem Kussmaul bekanntes Stundenei, diesmal auf richtig derbem Erdäpfelpüree, mit letscherten Petersilwurzel-Chips, getrüffelter Sauce und ein paar Perigord-Trüffel-Partikeln, die jetzt, im Hochsommer, schon ein Alzerl saisonfern anmuten. Und anderseits ein pochiertes Ei mit "warmen Salatherzen", Erbsenpüree und gestiftelter Chorizo. Was soll man sagen: So warm wie diese kühlschrankfrischen Salatherzen wären wir an Tagen wie diesen selber gern.

Der "Albert Burger" ist leider auch nicht wirklich gelungen: Die Kombination aus süßer Zwiebelmarmelade und grobkörnig-pikantem Senf als Topping schmeckt tadellos, der dicke und dennoch trockene Fleisch-Patty aber ist durchgegart und kann keinerlei Röstaromen beisteuern – eine Grillplatte dürfte er nur beim Vorbeitragen gesehen haben. Bleiben die mit Hoisin-Sauce, viel Chili und allerhand Kräutern gut abgeschmeckten und innen saftigen, außen knusprigen Chicken Wings. Warum die aber in Stücke gehackt sind, ist rätselhaft – so hat man die vielen Knochen nämlich im Mund statt in der Hand. (Severin Corti, RONDO, 2.8.2019)

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