Pflanzen und Bäume sind nicht nur ein Mittel gegen Hitze in der Stadt, sondern haben auch das Potenzial, die psychische Gesundheit positiv zu beeinflussen.

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Seit wenigen Jahren leben nach Angaben der Vereinten Nationen mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Prognosen zufolge werden bis zum Jahr 2050 sogar rund zwei Drittel aller Menschen in Städten leben. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Stadt aufgewachsene und gegenwärtig in der Stadt lebende Menschen anders auf Stress reagieren als Landbewohner und ein deutlich höheres Risiko haben, an Depression, Schizophrenie oder Angststörungen zu erkranken.

Ein interdisziplinäres Forscherteam unter der Leitung von Andreas Meyer-Lindenberg und Heike Tost von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim, konnte nun zeigen, dass Grünflächen in Städten – also Bäume, Rasenflächen, Blumenbeete oder Parks – ein wichtiger Schutzfaktor sind.

In einer Studie, die nun in der Fachzeitschrift "Nature Neuroscience" veröffentlicht wurde, fanden sie heraus, dass der Anteil an Grünflächen in der Umgebung von Menschen direkte Auswirkungen auf deren Wohlbefinden im Alltag hat. Von diesem Effekt profitieren besonders solche Menschen, die die meiste Zeit ihres Alltags in urbanen Stadtvierteln mit wenig Grünanlagen verbringen und Probleme damit haben, negative Emotionen zu regulieren.

Grün wirkt auf Gehirn

"Wir konnten die positive Wirkung von Grünflächen in Städten auf das Wohlbefinden erstmals direkt im städtischen Alltag bestätigen und auf die Gehirnfunktion beziehen", sagt Studienleiterin Heike Tost. Dafür wurden zunächst 33 gesunde Stadtbewohner gebeten, mit Hilfe speziell ausgestatteter Smartphones binnen einer Woche rund neun Mal pro Tag ihre Stimmung zu bewerten.

Die Probanden gingen in dieser Zeit wie gewohnt ihrem Alltag nach. Mit geoinformatischen Methoden wurden die von den Teilnehmern zurückgelegten Wege nachvollzogen und Merkmale der Wegstrecken, vor allem einsehbare Grünflächen, ermittelt. Diese Informationen wurden mit der aufgezeichneten Stimmungssituation verknüpft.

Negative Emotionen regulieren

Es zeigte sich, dass die Probanden in Situationen, in denen sie von einem höheren Anteil an Grünflächen in der Stadt umgeben waren, ein höheres Wohlbefinden anzeigten. In einem zweiten Schritt wurden 52 weitere junge Erwachsene gebeten, auf dieselbe Weise ihre Stimmung im Alltag zu bewerten. Zusätzlich wurden die Teilnehme nach der siebentägigen Bewertungsphase einer funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) unterzogen.

Die Ergebnisse der ersten Messung wurden auch durch die zweite Gruppe bestätigt. Zudem beobachteten die Forscher eine verminderte Aktivität im dorsolateralen präfrontalen Cortex bei Menschen, die in ihrem Alltag besonders positiv auf Grünflächen reagierten. Der dorsolaterale präfrontale Cortex ist eine Hirnregion, die eine zentrale Kontrollfunktion bei der Verarbeitung negativer Emotionen und stressiger Umwelterfahrungen ausübt.

"Die Ergebnisse legen nahe, dass Grünflächen besonders für solche Menschen wichtig sind, deren Kapazität vermindert ist, negative Emotionen selbst zu regulieren", sagt Andreas Meyer-Lindenberg, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Das Fazit der Forscher: Gut über eine Stadt verteilte Grünflächen könnten ein erhebliches Präventionspotenzial mit Blick auf psychische Erkrankungen entfalten. (red, 31.78.2019)