Das Ankommen begann in den Garagen. Beton. Parkplatzmarkierungen, Notausgangslichter und mit dem metallischen Glitzern ihrer Frontpartien, wie ruhende Raubtiere, die Reihen der breiten hohen Wägen unserer Gegenwart. Die meisten schwarz, unangefochten von allen Moden, und einander so ähnlich und trotzdem auf Unterschied bedacht, wie dies unter Tieren höherer Gattung wohl üblich ist. In den Garagen durfte der Alltag jetzt ruhen, hinter automatischen Türen und Lifteingängen wartete die andere Welt darüber, das Hotel.

Manche Kinderhotels verfügen sogar über eigene Fußballplätze oder -hallen.
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Nun wird nicht nur der gemeine Handelsvertreter, sondern auch jeder in weit höheren Unterkunftskategorien absteigende Manager angesichts von Termindruck, Routinen und Arbeitsstress der Rede von der Traummaschine Hotel wenig abgewinnen. Genauso hat die Illusion der anderen Welt in Häusern, deren schiere Größe den Begriff der Landschaft für manche ihrer Bereiche tatsächlich aufdrängt, mit Mythen wie jenem eines "Chelsea Hotels" nicht das Geringste gemeinsam. Doch Hotels lassen sich nicht entzaubern, bleiben selbst in der Verwertungsmaschinerie der Freizeitindustrie Orte unantastbarer Vorstellungen.

Es gibt: Alles

Für die Gattung der Kinder- und Familienhotels gilt dies auf so spezifische wie in manchem geradezu potenzierte Weise. Derartige Häuser für Kinder und Familien haben nicht nur bei einzelgängerischen Hotelpuristen oft keinen guten Ruf. Auch wir waren skeptisch. Unzählbare Wünsche nach Spiel, Spaß, Abenteuer, Genuss, Ruhe wie Erholung gilt es in derartigen Häusern zu erfüllen. Für die Jüngeren, für die Älteren, für alle gemeinsam und oft auch ganz und gar nicht gemeinsam.

Holzwerkstatt im Hotel Feuerstein
Foto: Feuerstein

Es gibt Limonade den ganzen Tag, Kinderklubs, Kindergruppen, separierte Wellnessbereiche für Erwachsene, Kinderbetreuung, Vollpension, Eis nach jeder Hauptmahlzeit und eine Mahlzeitenfolge, die zur Auslassung geradezu zwingt. Es gibt alles, und das ist in derartigen Häusern so viel Alles, als müsste zweifelsfrei bewiesen werden, dass nunmehr das Gegenteil der Belehrung gilt, man könne eben nicht alles haben, nämlich einfach: Alles ist gar nicht zu schaffen.

Wie Leute von Welt

Doch wie war das wirklich? Wir machten die Probe aufs Exempel. Als Gespann Vater und Sohn kamen wir uns dafür nicht gänzlich ungeeignet vor, auch Übermaß war uns noch selten ein Hindernis gewesen, also bereisten wir nicht nur ein Hotel, sondern drei und besuchten nicht irgendwelche, sondern jene Häuser, die zu den besten zählten.

Der Spielbereich im Hotel Löwe
Foto: Hotel Löwe

Sporttaschen und Koffer gepackt, ein fast Elf- und ein fast Sechsundvierzigjähriger nebeneinander, so kurvten wir den Katschberg hinauf. Das erste Ziel hieß Cristallo, mit unserem klapprigen Wagen fuhren wir vor und wurden begrüßt wie Leute von Welt. Der alte Kombi wurde neben den SUVs in der Tiefgarage geparkt, bald darauf standen wir auf einem wunderbaren, von hölzernen Banden umgebenen Hotelfußballplatz und schossen einander die Bälle in die Ecken, dass es nur so krachte.

Bücher und Cocktails

Der Fußball sollte auch, wenig überraschend, die Konstante dieser Tage bleiben, im Serfauser Traditionshaus Löwe & Bär ebenso wie im exklusiven Südtiroler Feuerstein, wo wir unser Leder nicht nur auf großzügigem Kunstrasen traten, sondern in einer mit allen Gustostückerln ausgestatteten Sporthalle. Welcher Platz, welche Halle schöner war? Völlig unwichtig! Was zählte, waren Sprints, Schüsse, Fouls und Flugbahnen.

Der Hochseilgarten beim Falkensteiner Hotel Cristallo
Foto: Falkensteiner Hotel Cristallo

Und natürlich Eleganz, dementsprechend saßen wir am Katschberg ein paar Stunden nach der Ankunft bereits in der Bar, der jüngere Mann mit dickem Buch und Kindercocktail, der ältere mit einem dünnen Band und Gin Tonic. Auch das sollte sich von nun an allabendlich wiederholen, im Cristallo hatten wir unseren Platz direkt an der hohen Glasfront mit Blick über die Kärntner Ausläufer der Tauern, im Talschluss des Südtiroler Pflerschtals umgaben uns hoch aufragende Felswände, und in Serfaus leuchteten zur Barstunde die dunklen Spitzen der Ötztaler Alpen im letzten Licht.

Freundliche Geduld

Wir genossen es und freuten uns umso diebischer, als wir uns eine solche Reise in die Unglaublichkeit dieser Häuser mit Geld allein nicht hätten leisten können. So aber hatten wir Abend für Abend unsere Notizbücher mit dabei. Wir trugen die Fußballplätze darin ein, die Ausblicke oder einfach, wie eingehend wir in jedem der Hotels wieder studieren mussten, welche der Saunen wir in den weitläufigen Wellnesslandschaften gemeinsam betreten konnten, ob mit Textil oder ohne, und das zu welcher Uhrzeit.

Kletterwände im Hotel Bär
Foto: Hotel Bär

Wir hielten fest, welchen Unterhaltungsfaktor und Chic Dartsmaschine und Billardtisch in der eleganten Bar des Cristallo hatten, wie interessant und herausfordernd allein das Ausflugsprogramm für Kinder und Jugendliche im Feuerstein gewesen wäre, hätten unsere beiden Tage in Südtirol nicht das Wochenende betroffen, und notierten belustigt, mit welcher Beharrlichkeit alle drei Hotels trotz ihrer im Vorhinein so gewissenhaft erfolgten Altersanfragen annahmen, mit Plastikbecher und Kinderbesteck als Gedeck bei einem Buben solchen Alters zu renommieren.

Und doch bedeutete das nichts angesichts der freundlichen Geduld, die wir stets aufs Neue an den Kellnerinnen und Kellnern erlebten, die nicht einmal dann aus der Ruhe kamen, als an einem der letzten Abende in Serfaus ein Gutteil der Gästeschar mitten in der Menüfolge in Richtung Wimbledon-Liveübertragung verschwand und erst nach den ewig letzten Punkten und Games zwischen Djokovic und Federer wieder an die Tische zurückkehrte.

Spürbares Miteinander

Wir fuhren Motorkart in Innsbruck und Mountainkart in Ladurns, wir genossen die ruhige Noblesse des erst vor kurzem neu errichteten Hotel Feuerstein und fanden die würdig gealterten Ledersessel in der Löwe-&-Bär-Bar ebenso schön wie die im ganzen Haus als Selbstverständlichkeit spürbare Hotelierserfahrung im Miteinander der Generationen und Alter. Ob es manchmal allein am überall vollen Tagesprogramm lag, dass wir uns fragten, wo all die anderen waren, während wir uns so oft als Einzige auf dem Fußballplatz duellierten, oder Handys und Spielkonsolen ihren Teil dazu taten, bleibt offen. Ebenso wie die vermutlich gänzlich am Thema vorbei gehende Frage, was jenen alles andere als unbekannten deutschen Schriftsteller mit Gefährtin, doch ohne Kind, übers Wochenende an unseren Nebentisch ins Feuerstein geführt hatte?

Ein Pool darf auch nicht fehlen: Hotel Bär.
Foto: Hotel Bär

Sicher ist nur, er sah uns zweien, seine Freundin im Arm, an den Abenden ebenso aufmerksam beim Lesen zu wie er den Jüngeren von uns beiden darüber schmunzeln ließ, dass es sich bei diesem Haus also mindestens auch um ein solches für Verliebte wie für Kinder handelte. Er hatte nicht unrecht, die Bühne des Feuerstein brachte vieles zum Vorschein. So fand sich in den weitläufigen Gebäuden nicht nur eine vollständig eingerichtete Tischlerwerkstatt für Handwerksnachmittage der jungen Gäste, sondern überraschte uns im Kinderklubhaus schließlich sogar ein ganzer Heuboden.

Jene Wendung aber, die es im Staunen brauchte, um nicht darin zu enden, aus dem Staunen gar nicht herausgekommen zu sein, geschah dann zufällig. Nachmittag war es, wir saßen an einem der Tische zwischen Lobby und Bar, als ein Auto vor jenem Bauernhaus stehen blieb, das durch die gläserne Hinterfront dieses Hoteltraktes so bildfüllend ins Hotel hereinschaute, als wäre es extra dafür hingestellt. Ein junger Mann stieg aus dem Wagen, wir sahen zu, wie er die Bauernhaustür hinter sich schloss, und waren wieder in der Wirklichkeit. (Martin Prinz, RONDO, 2.8.2019)