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Rund 1.400 Teilnehmer der Demonstration in Moskau wurden von der Polizei beamtshandelt, die ersten wurden nun verurteilt.

Foto: Reuters/SHAMIL ZHUMATOV

Moskau – Nach den Massenfestnahmen bei den Protesten in der russischen Hauptstadt Moskau sind mehr als 60 Demonstranten zu Arreststrafen verurteilt worden. Zusätzlich seien 160 Teilnehmer, Organisatoren und Oppositionelle mit Geldstrafen belegt worden, teilte das Moskauer Stadtgericht am Dienstag der Agentur Interfax mit.

Der prominente Kreml-Kritiker Ilja Jaschin erhielt in zwei Fällen insgesamt 20 Tage Arrest, ein Mitstreiter von Alexej Nawalny wird 30 Tage eingesperrt. Der Oppositionelle Nawalny war bereits vor den Protesten zu 30 Tagen Arrest verurteilt worden.

Nawalny und sein Team hatten am Wochenende zu einem Protest vor dem Moskauer Rathaus aufgerufen, weil dutzende Oppositionelle nicht zu der Regionalwahl im September zugelassen werden. Die Behörden hatten die Demonstration nicht genehmigt. Rund 1.400 Menschen wurden dabei festgenommen. Bei keinem Protest waren nach Angaben des Bürgerrechtsportals OVD-Info in den vergangenen Jahren so viele Menschen in Gewahrsam genommen worden.

Kritik von EU und Deutschland

Das harte Durchgreifen der Moskauer Polizei sorgte international für Schlagzeilen und wurde von der EU und auch von deutschen Politikern kritisiert. "Dass Sicherheitskräfte unverhältnismäßig hart gegen sie vorgehen und mehr als tausend Menschen festnehmen, besorgt mich natürlich sehr", sagte der Russland-Koordinator der Bundesregierung, Dirk Wiese (SPD), der "Rhein-Neckar-Zeitung".

Er erwarte, dass die Festgenommenen rasch freigelassen werden. Auch die Grünen im Bundestag betonten, mit den Festnahmen sollten die Menschen in Russland eingeschüchtert werden. Die Verurteilungen sollten aufgehoben und Gefangene wie Nawalny freigelassen werden, teilte der Grünen-Abgeordnete Manuel Sarrazin mit.

Neue Kundgebung am nächsten Samstag geplant

Die Oppositionellen riefen für kommenden Samstag (3. August) zu einer neuen Kundgebung auf. Die Stadtverwaltung hatte zunächst einem Ort am Rande des Stadtzentrums zugestimmt; die Veranstalter lehnten dies jedoch ab. Sie wollten aber weiter Gespräche mit den Behörden führen und sich um eine gute Organisation kümmern, teilten sie mit. "Unser Kampf geht weiter. Die wachsende Teilnahme gibt uns die Chance, normale Wahlen zu erreichen", schrieben die Organisatoren in ihrem Aufruf.

Zuletzt legte Nawalny erfolglos Berufung gegen seine Arreststrafe ein, die er wegen des Aufrufs zu dem nicht genehmigten Protest bekommen hatte. Seine Anwältin argumentierte, dass die Sicherheit und Gesundheit des 43-Jährigen in dem Moskauer Gefängnis nicht gewährleistet werden könne. Nawalny war nämlich wegen eines angeblichen Allergieschocks in einem Krankenhaus behandelt worden. Er gehe davon aus, dass er vergiftet worden sei, schrieb er nach seiner Rückkehr ins Gefängnis in einem Blogbeitrag. Eine unbekannte Person könnte eine giftige Substanz in seine Zelle gebracht und ein Objekt in der Zelle kontaminiert haben. Er gab an, noch nie zuvor an einer Allergie gelitten zu haben. "Sehr wahrscheinlich habe ich eine Seife oder einen anderen Gegenstand berührt, der dann dies auslöste", schrieb der Jurist.

Nawalny will Aufnahmen der Überwachungskameras

Er glaube jedoch nicht, dass Gefängniswärter damit zu tun haben. "Sie waren sehr schockiert, wie ich aussehe – sogar noch mehr als ich", schrieb er. Nawalny will nun die Bilder der Kameraüberwachung aus seiner Zelle sehen, um weitere Erkenntnisse zu bekommen. "Wenn irgendwelche Leute in die Zelle gekommen sind, stärkt es die Vergiftungsversion. Wenn nicht, dann erhöht es die Wahrscheinlichkeit, dass das ein einzigartiger medizinischer Fall ist", schrieb Nawalny, der mit seinem Team Korruptionsfälle von Politikern aufdeckt.

Der Blogger beschrieb, wie andere Mitgefangene ihn auf Rötungen aufmerksam machten. Ein brennender Schmerz habe sich auf Haut und Augen ausgebreitet, in der Nacht sei es immer schlimmer geworden. Ein Sanitäter im Gefängnis habe schließlich einen Krankenwagen gerufen. Nach der Einnahme von Medikamenten und einer Infusion gehe es ihm schon besser, schrieb er. "Jetzt sehe ich nur noch wie einer aus, der eine Woche lang durchgetrunken hat." (APA, 30.7.2019)