Karin Ferrari in Innsbruck: Wahrheit ist ein schweres Wort.

Karin Ferrari

Was tun, wenn das Laufband bei 6 Minuten 66 Sekunden hält?

Foto: Karin Ferrari

Die Mondlandung? Ein inszenierter Schwindel. Elvis Presley? Lebt! Und Taylor Swift? Ist eine Abgesandte des Leibhaftigen. Sie ist gekommen, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Verschwörungstheoretikern geht der Stoff für wilde Spekulationen nicht aus, das Netz ist ihr Tummelplatz und Youtube eine besonders ergiebige Fundgrube. Auch Karin Ferrari betreibt dort ihren eigenen Kanal, er heißt TR4SH M4GIC TV und bietet "Die ganze Wahrheit", etwa über das Fifa-Logo oder die Intros von TV-Nachrichtensendungen in den USA und in Österreich.

TR4SH M4GIC TV

Man staunt nicht schlecht, wenn sich Ferrari ans "fachgerechte" Dekodieren von darin verborgenen okkulten Symbolen und Geheimbotschaften macht. Allerdings treibt die 1982 in Meran geborene Medienkünstlerin, die an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert hat, ein doppeltes Spiel: Indem sie sich exakt jener Strategien bedient, auf die Verschwörungstheoretiker und Produzenten "alternativer" Fakten ihre Scheinwahrheiten bauen, legt sie auch deren plumpe, dadurch aber kaum weniger perfide Banalität offen.

Ironisches Spiel

Ein reicher Fundus für Ferraris "Mystery Dokus" ist die bunte Welt des Mainstream-Pop. Zum einen ist das Verbreiten abstruser Theorien über diverse Stars selbst zum popkulturellen Phänomen geworden. Zum anderen eignen sich die leider oft sehr platten Bildsymboliken aus Musikvideos bestens für konspirative Umdeutungen aller Art. Ferraris DECODING Taylor Swift's Look What You Made Me Do ist ein anschauliches Beispiel dafür.

Hinter dem ironischen Spiel mit Manipulation und spekulativen Narrativen verbirgt sich die Kritik an einer Gesellschaft auf digitalen Abwegen. Bekanntlich ist der Quell allen Instantwissens ein trüber Tümpel voll gezielt eingesetzter Des- und Falschinformation, aus der viel politisches Kapital geschlagen wird. Fragt sich also, was das in einer Welt heißt, in der immer mehr Menschen ihre Informationen fast ausschließlich aus dem Internet beziehen.

Für ihre aktuelle Schau mit dem Titel Trash Mysticism in der Art Box des Innsbrucker Ferdinandeums hat Ferrari ein Setting entworfen, das Anleihen an südostasiatischen Tempelarchitekturen nimmt. Durch ein gespaltenes Tor tritt man vor einen Götzen der Gegenwart, ein aufgebahrtes iPhone, auf dessen Bildschirm eine Neudeutung des Original-Werbevideos für das Gerät läuft.

Weltverschwörung "galore"

Der Inhalt in Kurzversion: Was sich als Portal zur digitalen Welt tarnt, könnte im Wesentlichen auch ins Gegenteil verkehrt werden, nämlich in ein gezielt geschaffenes Einfallstor für alles Unheimliche von außen. Das klingt verdächtig nach einer weiteren Weltverschwörung – ließe sich andererseits aber auch als der mittlerweile geradezu mystisch verbrämte Merksatz aus einem Seminar für Internetsicherheit lesen. (Ivona Jelcic, 31.7.2019)