Walküren reiten, Nibelungen hämmern, aber eh nur musikalisch. Die Oper "Der Gesang der Zauberinsel" arbeitet zwar mit Versatzstücken, ist aber kindgerecht.

Erika Mayer

Der rasende Roland verliert nicht nur den Verstand, sondern auch Hut und Lesebrille. Er ist nämlich Komponist. Auf dem Mond findet sich alles wieder. Verloren gegangener Menschenverstand hinter dem dritten Krater links. Gibt es Bonusmeilen für Vielflieger auf einem inkontinenten Hippogryph?

Der Gesang der Zauberinsel. Oder: wie der Rasende Roland wieder zu Verstand kam aus der Feder von Marius Felix Lange feierte als "Kinderoper" seine Uraufführung in der Großen Aula der Universität Salzburg. Größeren Kindern ab elf oder zwölf wird eine kluge Musikvermittlung den Witz des Ganzen schon plausibel machen können. In der Regie von Andreas Weirich auf der Bühne und in den Kostümen von Katja Rotrekl geht es turbulent genug zu, bei einfachen, aber virtuos eingesetzten theatralischen Mitteln. Die Flugvideos von Fabian Kapo lassen die Zuschauer obendrein abheben.

Allerhand Motive

Der erwachsene Hörer möchte den rotzfrechen Streich gern als verpflichtend aufzuführendes Satyrspiel nach Händels Alcina verortet wissen. Versatzstücke aus der Händeloper, etwa Bradamantes Suche nach ihrem Verlobten Ruggiero, welcher der Zauberin auf den Leim gegangen ist, werden munter verknüpft mit antiken griechischen, aber auch ganz aktuellen Motiven, wie jenem eines persischen Flüchtlings: Mirzas Schlaflied aus seiner Heimat ist es, was die außer Rand und Band geratenen Menschen und Fabelwesen zur Ruhe bringt.

Angelika, sonst von allerhand Rittervolk umkämpfte chinesische Prinzessin, ist hier die Tochter des Komponisten Roland Angeler und dessen erster Sopran. Sie verbündet sich prompt mit der Ritterin Bradamante, als auch Mirza in Alcinas Reich landet, weil er den Gesang der Zauberinsel gesungen hat. Der ironische Umgang des Librettisten Marius Felix Langes mit dem Stoff des Orlando furioso und da und dort aufpoppende Poesie überzeugen: Als "Bradamantes Sehnsuchtsgedanke" flüstert die Gräfin ihrem Ruggiero Erinnerungen zu.

Als Komponist pendelt Marius Felix Lange ungeniert postromantisch irgendwo zwischen Korngold und Schreker, Einsprengsel von Wagner (im Sturm meint man gelegentlich Walküren reiten oder Nibelungen hämmern zu hören) bringen Knallfarbe.

Blasenschwach

Das absteigende Leitmotiv des blasenschwach gegen Myrten und Menschen pinkelnden Flugpferdes perlt so hübsch wie frech. Es spielen in kleiner Besetzung großmächtig auf: die Salzburg Orchester Solisten unter Ben Glassberg. Die Mitglieder des Young Singers Project übertreffen einander stimmstark in "Große Oper". Weniger Lautstärke und mehr Textdeutlichkeit wären cool. (Heidemarie Klabacher, 31.7.2019)