Raumdüfte sind schon lange nicht mehr auf Wunderbäume begrenzt. Heute strömen sie aus Klimaanlagen, Duftspendern und Duftsäulen.

Foto: Wunderbaum

Die Duftaktion der Wiener Linien geht am Mittwoch zu Ende. Im Juli waren vier beduftete U-Bahn-Züge auf den Linien U1 und U6 unterwegs – DER STANDARD berichtete. Heute ist auch der letzte Tag, an dem man beim "Duftvoting" über den persönlichen Lieblingsduft abstimmen kann. "Bisher haben das über 20.000 Fahrgäste getan", sagt Wiener-Linien-Pressesprecherin Kathrin Liener. "Wir werden die Ergebnisse in den nächsten Tagen bekanntgeben und dann über eine Fortführung des Projekts entscheiden." Eine Beduftung aller U-Bahn-Züge sei jedenfalls ausgeschlossen.

Toxikologische Bedenken

Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien sieht die Aktion der Wiener Linien ambivalent. "Natürlich ist es positiv, wenn dadurch Menschen vom Autofahren abgehalten werden und sie die Schadstoffbelastung nicht weiter erhöhen", sagt Hutter. "Aus meiner langjährigen Erfahrung mit Duftstoffen ist eine Beduftung im öffentlichen Raum aber kritisch zu sehen." Die langfristige Wirkung vieler Duftstoffe sei nicht bekannt und ihr Einsatz deshalb aus toxikologischer Sicht problematisch. Auch das deutsche Umweltbundesamt äußerte diese Bedenken. Im Fall der Wiener Linien handle es sich laut Hutter zwar um eine Kurzzeitbelastung mit geringer Geruchsintensität. Geruchsempfindliche Menschen könnten sich dennoch davon belästigt fühlen, meint der Umweltmediziner. "Bestimmte Duftstoffe sind schon in geringer Konzentration sehr wirksam und können Effekte bei Allergikern oder Asthmatikern auslösen."

Erfolglose Testversuche in Deutschland

Die Wiener Linien sind nicht das erste Transportunternehmen, das die Beduftung ausprobiert. Ihr Vorbild dürfte die Pariser Metro sein, die seit Jahren Raumdüfte einsetzt. Auch die Deutsche Bahn führte 2013 und 2016 Pilotversuche auf Kurzstrecken in München und Hamburg durch. Die Berliner Verkehrsbetriebe mischten kurzzeitig einen Duftstoff in die Reinigungsmittel für die Straßenbahnen. Nach Beschwerden der Fahrgäste wurden die Tests wieder eingestellt. "Es gibt aber auch viele Versuche, die gut laufen – etwa bei Fernzügen oder Reisebus-Unternehmen", geben die Wiener Linien zu bedenken. Deshalb habe man sich dazu entschieden, das "ergebnisoffen" auszuprobieren und die Fahrgäste nach der Testphase entscheiden zu lassen.

"Duftmarketing" im Trend

Egal ob Hotellerie, Gastronomie, Kaufhäuser oder Geschäfte – in der Privatwirtschaft setzt man international schon lange auf "Duftmarketing", um Kaufanreize zu schaffen oder das Wohlbefinden der Kunden zu erhöhen. Auch für Österreich sieht Umweltmediziner Hutter in den vergangenen Jahren einen klaren Trend zur Beduftung. Gerade im privaten Wohnbereich greifen immer mehr Menschen zu Raumdüften, um schlechte Gerüche zu vertreiben. Für Hutter ist das "eine vermeidbare zusätzliche Dauerbelastung".

EU-Richtlinien wie für Kosmetika gibt es für Raumdüfte nicht. Hutter fordert deshalb klarere Rahmenbedingungen: "Der Einsatz von Duftstoffen ist ein Wildwuchs, der Regeln braucht. Insbesondere beim Arbeitnehmerschutz sollte dem mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden." (Alexander Polt, 31.7.2019)