Mit eigenwilligen Aufrufen auf der Website seines Craftbeergeschäfts sorgt ein Wiener Unternehmer für Aufregung. Der Mann, der sich auch in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der einstigen Grünen-Mandatarin Sigrid Maurer befindet, nachdem diese ihm den Versand anzüglicher, sexistischer Privatnachrichten vorgeworfen hat, lässt online nach mutmaßlichen Kriminellen fahnden und bietet ein "Kopfgeld" in der Höhe von 100 Euro an.

In einer Rubrik namens "Gewinnspiel 100€-Verbrecher gesucht!" (sic!) wurden Fotostills von Überwachungskameras veröffentlicht. Ein Bild zeigt ein Paar, das am Biergeschäft vorbeigeht. Der Mann scheint dabei in Richtung der Auslage zu spucken. Der "Vorfall" wird mit 30. Mai datiert, der nicht anonymisierten Person wird "Vandalismus-Sachbeschädigung" unterstellt. In weiteren Aufnahmen ist ein Mann im Geschäft zu sehen, der Waren gestohlen haben soll. Dieser Fall soll laut Angabe auch schon samt "Beweisvideo" bei der Polizei aufliegen.

Auf der Homepage des Biergeschäfts werden die Personen ohne Anonymisierung gezeigt.
Foto: Screenshot

Rechtlich fragwürdig

Das Vorgehen sorgt für empörte Reaktionen in sozialen Medien. In die Debatte eingeklinkt hat sich auch der Jurist Max Schrems, der davon ausgeht, dass dieses Vorgehen wohl nicht gesetzeskonform ist.

Rechtsanwalt Lukas Feiler von der Anwaltskanzlei Baker McKenzie erklärt, dass das Handeln des Betreibers datenschutzrechtlich problematisch ist. "Ein Foto eines Verdächtigen zu veröffentlichen, wie es sonst eigentlich nur die Polizei im Rahmen einer Fahndung darf, ist nicht von einem überwiegenden, berechtigten Interesse gedeckt", sagt er zum STANDARD.

Das verletze die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und könne theoretisch mit vier Prozent des weltweiten Umsatzes eines Unternehmens oder 20 Millionen Euro sanktioniert werden.

Die Datenschutzbehörde (DSB) untersucht nun den Fall: Matthias Schmidl, stellvertretender Leiter der DSB wollte keine sofortige Einschätzung vornehmen. Das "Suchen und Fahnden" sehe Schmidl jedoch im Allgemeinen als Behördensache. "Wir werden das intern prüfen." Ein Verfahren werde dann angestrengt, "wenn wir der Ansicht sind, dass eine Datenschutzverletzung vorliegt", meinte Schmidl.

Mehrere Verletzungen

Nach Ansicht von Rechtsexperten könnten zudem mehrere Rechtsverletzungen vorliegen. Zunächst stelle sich die Frage, ob die Videokamera überhaupt legal angebracht sei, sagte Anwalt Michael Pilz am Mittwoch. Nach seiner Einschätzung handle es sich angesichts der auf der Website veröffentlichten Bilder nämlich um eine "private Überwachung öffentlicher Flächen".

Das Erheben bzw. die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Einwilligung sei laut Experten unzulässig. Weiters müsse geprüft werden, ob es eine Verletzung von Informationspflichten gebe, etwa ein Schild, auf dem explizit über die Videoüberwachung informiert wird.

Die Bildveröffentlichung selbst sei eine "unverrückbare" Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten nach Paragraf 78 des Urheberrechtsgesetzes, meinte Pilz. "Eine Rechtsfolge könnten nur die abgebildeten Personen ziehen." Werden die Abgebildeten mit einer Täterschaft verbunden, könnte das strafrechtliche Relevanz haben, da eine Verleumdung (Paragraf 297 StGB) vorliegen könnte. Über einem Bild eines jungen Mannes ist etwa zu lesen: "Hallo Dieb! Du wurdest beim Diebstahl gefilmt!"

Da die Personen identifizierbar sind und eines Vergehens beschuldigt werden, liege eine Verletzung von Paragraf 7a Mediengesetz (Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen) vor, denn es bestehe kein öffentliches Interesse an der Identität der Abgebildeten. Die Betroffenen hätten Anspruch auf eine Geldbuße. Pilz sieht eine "klare Verletzung des Rechts der betroffenen Personen" und betonte: "Die Datenschutzbehörde muss hier tätig werden."

Der Bierlokalbetreiber wollte am Mittwochnachmittag auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben und verwies auf seinen Anwalt Adrian Hollaender. Diesem sei der Inhalt der Homepage nicht bekannt, sagte er zur APA. In einer Nachricht an den STANDARD schreibt er, dass die Veröffentlichung des Fotos zur Wahrung überwiegender berechtiger Interessen zulässig sei. Zudem sei die "Rabattaktion für Lesben" zwar ungewöhnlich, jedoch habe der Betreiber "Angehörige der angesprochenen Personengruppe explizit begünstigt", weswegen keine Diskriminuerung bestehe.

Foto: Screenshot

Rabatt für Lesben-Outing

Ebenfalls für Aufregung sorgte außerdem eine Rabattaktion auf der Seite des Geschäfts. Dort war ein "Lesbenbonus" ausgeschrieben worden. "Sind Sie eine bekennede Lesbe erhalten Sie bei uns 10 % Rabatt!" (sic!). Zur Inanspruchnahme würde es reichen, sich gegenüber einem Verkäufer zu outen. Mittlerweile wurde diese Aktion wieder von der Website entfernt.

Gegenüber der "Wiener Zeitung" gab der Betreiber an, vom "Lesbenbonus" auf der Website nichts gewusst zu haben, da die Seite vom Vorbesitzer betreut werde. Dieser stelle neue Inhalte normalerweise nur online, wenn er ihm diese auf einem Zettel vorschreibe. Die Aktion war allerdings bereits seit Juni auf dem Webauftritt zu finden. Obgleich er nach eigenen Angaben die Seite nicht selbst pflegt, erfolgte die Entfernung nach seiner Ankündigung, dass die Rabattaktion gleich gelöscht werde, binnen weniger Minuten. (gpi, muz, APA, 31.7.2019)

Update, 14:05 Uhr: Stellungnahme des Shop-Betreibers gegenüber der "Wiener Zeitung" ergänzt.

Update 17:22: Einschätzung der Datenschutzbehörde hinzugefügt.