Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Staatsangehörigen über 18 Jahre ist sehr teuer. Anfang 2019 wären über sechs Millionen österreichische Staatsangehörige anspruchsberechtigt gewesen. Selbst wenn man die Höhe des Grundeinkommens nur mit der Armutsgrenze in Österreich festsetzt (2018: 1.259 Euro pro Monat), würden die jährlichen Kosten dieses Programms etwa 92 Milliarden Euro ausmachen. Das entspricht etwas mehr als dem österreichischen Bundeshaushalt für das Jahr 2019 (89,5 Milliarden Euro) und knapp der Hälfte der gesamten Staatseinnahmen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen müsste daher entweder durch eine substanzielle Steuererhöhung finanziert werden – eine noch schlechtere Idee – oder durch die Abschaffung des uns bekannten Sozialstaats mit all seinen Transfers und Unterstützungen, wie das von manchen Proponenten auch gefordert wird.

Anfälliges System

Nun ist es aber ein (überaus sinnvolles) Grundprinzip des Sozialstaats, Leistungen eben nicht bedingungslos zu erbringen, sondern für jene, die sie benötigen, weil sie beispielsweise pflegebedürftig, arbeitslos oder notleidend geworden sind. Den Sozialstaat durch ein bedingungsloses Grundeinkommen zu ersetzen würde bedeuten, von jenen zu nehmen, die es brauchen, um jenen zu geben, die es nicht brauchen. Würde man das Grundeinkommen noch dazu über indirekte Steuern finanzieren, dann würde sich dieser Umverteilungseffekt von unten nach oben nochmals verstärken.

Die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens würde den Staat Milliarden kosten. Das kann nicht die Lösung des Problems sein.
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Das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens hat weitere Schwächen: Es ist schlichtweg widersinnig und ineffizient, eine große Mehrheit der Bürger eines Landes zu besteuern und diesen einen Teil der Steuern durch ein monatliches Grundeinkommen zurückzuerstatten. Zudem bedeutet bedingungslos (von Alter und Staatsbürgerschaft abgesehen) letztlich auch Unabhängigkeit vom Aufenthaltsort: Das erzeugt einen sehr starken Anreiz für einen sicherlich nicht vernachlässigbaren Teil der Grundeinkommensbezieher, ihre Zeit in beliebten Urlaubsländern wie Bulgarien zu verbringen, wo es sich mit einem (in Kaufkraftparitäten umgerechneten) Pro-Kopf-Einkommen von circa 2.720 Euro ganz gut leben lässt; in Ländern wie Indien oder Vietnam ließe sich mit einem bedingungslosen Grundeinkommen von 1.000 Euro pro Monat ein fürstliches Dasein fristen.

Der Ökonom Daren Acemoglu hat auf einen weiteren nicht zu unterschätzenden Aspekt hingewiesen: Ein bedingungsloses Grundeinkommen weist alle Charakteristika einer "Brot und Spiele"-Politik auf, welche die Massen (möglicherweise) befriedet und ablenkt, anstatt echte Chancen zu schaffen und politische Partizipation und politisches Engagement zu fördern. Alles in allem ist das bedingungslose Grundeinkommen ein höchst unausgegorenes Konzept.

Reform statt Abschaffung

Das alles bedeutet natürlich nicht, dass unser Sozialsystem perfekt wäre. Im Gegenteil: Es ist bürokratisch, überdimensioniert, teuer in der Verwaltung, anfällig für Missbrauch und nicht einmal besonders treffsicher. Die Antwort kann aber nicht die Abschaffung des Sozialstaats, sondern nur dessen Reform sein.

Es herrscht kein Mangel an innovativen Vorschlägen: eine negative Einkommensteuer auf Niedrigeinkommen, ein Grundrecht auf Bildung durch ein Gutscheinsystem, Wahlmöglichkeiten im Bereich der Sozialversicherung und vieles mehr. Eine umfassende Redimensionierung und Reform des Sozialstaats wäre daher sicher der bessere und erfolgversprechendere Ansatz zur Bekämpfung von Armut und der Erhöhung der Chancengleichheit als der Wechsel auf das System eines bedingungslosen Grundeinkommens, dessen (teilweise irreversiblen) Auswirkungen und Anreizeffekte derzeit niemand in seiner ganzen Tragweite abschätzen kann. (Harald Badinger, 6.8.2019)

Harald Badinger ist Professor für Volkswirtschaft an der WU Wien und leitet das Institut für Internationale Wirtschaft. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Globalisierung, wirtschaftliche Integration und angewandte Ökonometrie.