Bis zu 3,5 Kilometer des 4700 Kilometer langen Gasnetzes überprüfen die Wiener Gasspürer an einem Arbeitstag. Sie gehen die Leitungen mit einem Messgerät ab.

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Andreas Menz und Heinrich Travnicek sind in einer Einfamilienhaus-Siedlung unterwegs. Den akkurat getrimmten Hecken, liebevoll bepflanzten Vorgärten und gepflegten Fassaden schenken sie aber keine Beachtung. Sie gehen in der Mitte der Straße und schauen konzentriert auf zwei Displays in ihren Händen. Andreas Menz und Heinrich Travnicek sind Gasspürer. Derzeit sind sie fast jeden Tag damit beschäftigt, die Gasleitungen der Stadt abzugehen und mit einem Messgerät auf möglicherweise gefährliche Gasaustritte zu überprüfen. Alle paar Jahre wird so jeder Zentimeter des WienerGasnetzes überprüft.

Die beiden Männer sind braungebrannt von der Arbeit im Freien. Sie tragen trotz Sommerhitze schwere Schuhe, dunkle Arbeitskleidung und eine neongelbe Warnweste. Bis zu 3,5 Kilometer des 4700 Kilometer langen Netzes gehen sie jeden Tag ab. Derzeit sind sie in Liesing unterwegs. Heute stehen die Zuleitungen zu den Häusern in einigen Straßenzügen auf dem Programm.

Betreten der Grundstücke

Auf seinem Tablet sieht Travnicek eine Karte mit sämtlichen Gasleitungen in der Gegend. Jene, die noch überprüft werden müssen, sind rot eingefärbt. Was schon erledigt wurde, ist grün. Früher, vor der Digitalisierung, wurde mit unhandlichen Plänen gearbeitet. Heute ist die Arbeit der Gasspürer einfacher. Nur an der eigentlichen Aufgabe, dem Begehen der Straße, hat sich nichts geändert. Einige orange Punkte gibt es auf der Karte auch: Das bedeutet, dass der Hauseigentümer nicht zu Hause war. Die Gasspürer müssen nämlich, um die Zuleitungen bis zur Hauptabsperreinrichtung zu überprüfen, oft Privatgrundstücke betreten. Ist niemand zu Hause, landet ein Informationszettel der Wiener Netze im Briefkasten.

Auch wenn die Bewohner zu Hause sind, ist der Job nicht immer einfach: "Das ist bezirksabhängig", sagt Menz. Im zwölften und 23. Bezirk sei das Betreten der Grundstücke in der Regel kein Problem, in anderen Bezirken sei das schwieriger. Oft werde gewünscht, statt des spontanen Besuchs einen Termin zu vereinbaren. Das ist schwierig, weil die Arbeit witterungsabhängig ist: Bei nasser Straße funktioniert das Messgerät nicht.

Mit der Teppichsonde über den Boden

Heute gibt es keine Probleme: Ein Mann, der gerade in der Badehose die Blumen in seinem Vorgarten gießt, schaut neugierig und willigt sofort ein. Menz betritt den Garten, schiebt seine Messsonde bis zur Hausmauer und schaut auf sein Display: alles gut. Ein Mann aus einem Nachbarhaus eilt herbei. Bei ihm waren die Gasspürer heute schon. "Hat alles gepasst?", will er wissen. "Sonst wären wir nicht weggegangen", sagt Travnicek und lacht.

Das Gasspüren funktioniert so: Andreas Menz führt eine Teppichsonde über den Boden. Vor der Brust trägt er ein Gerät mit einem sogenannten Flammen-Ionisationsdetektor, am Rücken eine Brennstoffflasche, die Wasserstoff und Stickstoff enthält, um eine Mikroflamme im Gerät mit Brennstoff zu versorgen. Über die Sonde wird Bodenluft angesaugt. Befindet sich darin Gas, verändert das das Verhalten der Mikroflamme – ein schriller Warnton erklingt. Wenn aber, so wie jetzt, alles in Ordnung ist, gibt die Pumpe, die die Bodenluft ansaugt, nur einen summenden Ton von sich.

Bis zu acht Teams der Wiener Netze sind jeden Tag unterwegs. Durchschnittlich spüren sie zwei Gasaustritte pro Tag auf. Häufig liegen die Ursachen in Materialermüdung und steigender Verkehrsbelastung, die für mehr Vibrationen sorgt. Besonders wenn die Gasleitungen alt sind. Etwa 100 Meter gibt es über Wien verteilt sogar noch aus Grauguss, der schon zur Zeit des Ersten Weltkriegs verbaut wurde. Heute werden nur noch Rohre aus Kunststoff oder Stahl verbaut.

Sofort handeln

Wird ein Gasaustritt entdeckt, werden Sondenlöcher gebohrt, um die Gaskonzentration im weichen Untergrund zu messen. Dann entscheiden die Gasspürer, wie schnell das Problem behoben werden muss. In mehr als der Hälfte der Fälle lautet die Antwort: sofort. Dafür rückt ein eigenes Team an.

Immer wieder sorgen die Gasspürer für neugierige Fragen. Kurz nach der Gasexplosion eines Hauses vor wenigen Wochen in Wien-Wieden seien die Menschen merkbar nervös gewesen, berichtet Menz. "Da haben sie uns richtig in ihr Haus gezaht", erzählt er. Mittlerweile sei die Aufregung aber abgeflaut. Für Wartung und Kontrolle der Gasleitungen im Haus sind zudem die Hauseigentümer zuständig. Sie müssen ihre Gas-Innenanlagen mindestens alle zwölf Jahre warten lassen.

Für Wartung und Kontrolle der Gasleitungen von der Hauptleitung bis zur Hauptabsperreinrichtung sind aber die Wiener Netze zuständig. Andreas Menz und Heinrich Travnicek kennen daher mittlerweile so gut wie jede Straße der Stadt. "Wir waren schon überall, wo es Gas gibt", sagt Travnicek und klingt ein wenig stolz. Sein Kollege Menz ergänzt: "Und Gas gibt es überall." (Franziska Zoidl, 9.8.2019)