Wissenschaftschef Martin Bernhofer führt vorerst den ORF-Kulturkanal Ö1.

Foto: orf, schimmer

Er ist nur vorläufig bestellt – und vorläufig nur für ein paar Wochen bis Ende August. Doch vielem Anfang wohnte im ORF schon ein Provisorium inne. Man kann also Martin Bernhofer Chancen beimessen, auch dauerhaft neuer Chef von Ö1 zu werden, dem traditionellen öffentlich-rechtlichen Aushängeschild des ORF.

Dieser Wissenschaftschef Bernhofer passt ins langjährige Besetzungsschema für das Kultur- und Informationsradio des ORF: Er wird im Dezember 60, und wie seine Vorgänger Peter Klein und Bettina Roither rückt er zum Senderchef mit der Aussicht auf die Pension auf, für die man kein Fernglas mehr braucht.

Bernhofers Bestellung wäre wirtschaftlich schlüssig: Seit 1985 ist der Salzburger im ORF, seit 1999 in Führungspositionen, heute Chef des größten Ö1-Ressorts Wissenschaft und Gesellschaft und mit einem der ältesten Verträge im ORF unter einer Handvoll unterschiedlicher Kollektivverträge recht teuer. Nach ihm gibt es keinen Hauptabteilungsleiter in der nun flacheren Ö1-Hierarchie. Und die Radiowissenschaft wird auf Sicht, wie Wetter und Religion, mit TV und Online zum multimedialen Ressort vereint.

Eher bürgerlich und ein "Non-Playing Captain"

Wirtschaftlich schlüssig wäre die Besetzung zudem, wo doch Bernhofer als Wissenschaftschef des Senders Sparvorgaben der Geschäftsführung stets eingehalten hat, wie es im Funkhaus heißt. Das gelingt (auch) in der Ö1-Wissenschaft mit vielen ständigen freien Mitarbeitern und den günstigsten aller ORF-Kollektivverträge. Derzeit laufen mehrere Klagen von Mitarbeitern, die Anspruch auf einen besseren KV erheben. Mit Klagen von Mitarbeitern kann man durchaus auch ORF-Radiodirektorin werden.

Als eher bürgerlich und als "Non-Playing Captain" wird Bernhofer, der große Sitzungen eher meidet und hierarchisch mit einem Kreis von Vertrauten führt, bisher intern beschrieben.

Ö1 hat als Radiosender – nicht zuletzt dank der publikumsstarken Informationsjournale – auch im internationalen Vergleich tolle Quoten. Und doch steht der Sender vor grundlegenden Herausforderungen. Das Team muss nicht nur physisch aus dem Funkhaus auf den Küniglberg, sondern sich neu aufstellen.

Generaldirektor Alexander Wrabetz hat die Parole ausgegeben, der ganze ORF müsse sich vom klassischen Rundfunkunternehmen zur Plattform entwickeln. Ö1 wird sich bei der Gelegenheit neu erfinden müssen – um seine vielen, auch speziellen Publika besser zu erreichen. (Harald Fidler, 31.7.2019)