Linz/Wien – Ein Führerschein könnte in Zukunft so befremdlich wirken wie ein Wählscheibentelefon heute. Experten gehen davon aus, dass der technologische Fortschritt spätestens zur Mitte des Jahrhunderts die Mobilität entschieden umkrempeln wird. Viele Berufe wie Lkw-Fahrer könnten verschwinden, andere dürften sich stark wandeln. Auch ganz neue Jobs sollen entstehen.

In einer Studie des Ars Electronica Future Lab im Auftrag des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) haben Forscher vier Szenarien entwickelt, wie es mit autonomem Fahren, Carsharing und den Beschäftigten weitergehen könnte. Ausgangspunkt war das Berufslexikon des AMS, erklärt die Koautorin Maria Pfeifer im Gespräch mit dem STANDARD. Bestehende Jobs werden durch die Linse der Digitalisierung analysiert. "Wir haben uns wirklich angesehen, welche Logistik- oder Mobilitätsberufe es momentan schon gibt, und überlegt, wie sie sich verändern könnten." Wissenschaftliche Forschung fließt dabei nahtlos in Science-Fiction über: Fiktive Beschäftigte aus der Zukunft erzählen aus ihrem Berufsleben.

Dieses Format sei bewusst "begreifbar, provokant und somit diskutierbar", sagt Pfeifer. Viele Studien würden mit unseriösen Zahlen aufwarten, die eine falsche Gewissheit über den Forschungsstand zu den Folgen von Automatisierung suggerierten. Schließlich ist die Zukunft ungewiss; mit unterschiedlichen Szenarien lässt sie sich jedoch eingrenzen:

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Der Bergbaukonzern Rio Tinto experimentiert bereits mit vollautomatisierten Güterzügen. Die Lokführer sitzen als Beobachter an Bord.
Foto: Reuters / Munoz
  • Szenario I: Neues Biedermeier

Die Skepsis gegenüber Robotern am Steuer überwiegt. Komplett selbstfahrende Autos sind Ladenhüter. Die Karre bleibt ein persönliches Statussymbol, geteilt wird sie daher auch nicht. Fahrzeuge haben jedoch hochentwickelte Assistenzfunktionen. Öffis fahren alle vollautomatisiert, aber unter menschlicher Aufsicht an Bord. Aus dem Lokführer bei der ÖBB wird der – natürlich englisch bezeichnete – Automated Train Operator (ATO). Für Fußgänger und Radfahrer wird der neue Mischverkehr recht gefährlich.


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Immer mehr Entwickler arbeiten an fahrerlosen Autos.
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  • Szenario II: "Auto-Auto" für jeden

Die Menschheit hat gelernt loszulassen, zumindest vom Lenkrad, wenn auch nicht vom Materialismus: Jeder hat seine eigene, vollautonom fahrende Karosse. Autos sind maßgeschneiderte Objekte, deren Innenleben spezialisierte Entwickler beschäftigt. Sogenannte Co-Bot-Worker arbeiten eng mit Robotern in Fabriken zusammen, um die individualisierten Puzzleteile zum Auto zusammenzubauen. HMI-Designer sind besonders gefragt. Sie entwerfen Schnittstellen, über die Mensch und Computer kommunizieren. Statt Fahrlehrern instruieren Mobilitätstrainer Fußgänger und Radler, wie sie mit den autonomen Gefährten sicher koexistieren.

Auch Uber testet selbstfahrende Taxis.
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  • Szenario III: Taxi ohne Taxler

Die Trends in Richtung autonomes Fahren und Sharing-Economy setzten sich durch. Wunschfahrzeuge für einzelne Passagiere bis zur Gruppe lassen sich jederzeit bestellen. Wer sich dabei mit Werbung zudröhnen lässt, zahlt weniger, ein Entertainmentpaket kostet extra. Haltestellen, Ampeln und Zebrastreifen tauchen dort auf, wo sie gerade gebraucht werden. Diese Welt bietet neue Jobs für Koordinatoren der "On-demand-Dienste". Wer nicht im eigenen Auto herumkurvt, kann sich etwa im mobilen Spa oder gleich während der Psychotherapie herumkutschieren lassen.

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Hauptsache vollgepackt: Automatische Fahrzeuge könnten auch Lebensmittel liefern.
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  • Szenario IV: Grüne Welle

Der Kampf gegen den Klimawandel hat die Mobilität geprägt. Effizienz ist gefragt, der Personenverkehr vollständig automatisiert. Keiner besitzt noch ein Auto, Öffis und Ride-Sharing sind angesagt. Wann immer es geht, werden Waren bei Personenfahrten mitgenommen, Teilzeitkuriere verdienen sich dabei ein Körberlgeld. Automotive Ethiker entwickeln Verhaltensrichtlinien für autonome Fahrzeuge. Verkehrsrechtler müssen Fragen der Haftungen, der Versicherung und des Datenschutzes klären.

Rund 70 künftige Aufgaben haben Maria Pfeifer und ihre Kollegen entworfen. Als Vorbereitung für die neue Arbeitswelt rät sie jungen Menschen zu "Vielfalt und Offenheit in der Ausbildung". Den Kfz-Mechaniker werde man aber immer brauchen, die Lehre entwickle sich schließlich mit den Autos weiter.

Überrascht hat Pfeifer, wie viele Berufe mit einer sozialen Komponente in der Mobilität von morgen eine Rolle spielen können. (Leopold Stefan, 1.8.2019)