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Harris (rechts) ging mit Biden scharf ins Gericht.

Foto: REUTERS/Lucas Jackson

Detroit – Wollte man es salopp formulieren, könnte man sagen: Joe Biden hat die Nacht überlebt. Falls bereits politische Nachrufe auf ihn geschrieben wurden, haben sie sich als verfrüht erwiesen. Der ehemalige Vizepräsident bleibt Favorit des demokratischen Kandidatenrennens ums Weiße Haus, während sich Elizabeth Warren, die linke Senatorin aus Massachusetts, mit starken Auftritten als seine wohl aussichtsreichste Gegenspielerin profiliert.

Sie kenne keinen einzigen Schwarzen und keine schwarze Frau, die keine Erfahrungen mit Rassismus hat, sagte Harris.
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Statt erneut Federn zu lassen, nachdem er vor fünf Wochen in der ersten Debattennacht in Miami schlecht ausgesehen hatte, hat er in der zweiten, in Detroit, zumindest nicht weiter an Boden verloren. Wirkte er bei der Premiere wie ein überforderter Veteran, der Jüngeren in puncto Schlagfertigkeit nichts mehr entgegenzusetzen hat, so parierte er die Attacken diesmal deutlich souveräner. Und an Attacken herrschte kein Mangel. Zeitweise drängte sich der Eindruck auf, als hätten sich die neun Parteifreunde, die neben Biden auf der Bühne standen, nur ein Ziel gesetzt: den Spitzenreiter des Feldes ein zweites Mal in Verlegenheit zu stürzen.

Die US-Demokraten haben sich das Ziel gesetzt, Präsident Trump bei der nächsten Wahl zu schlagen. Der zweiten Debatte haben sich zehn Kandidaten gestellt, die für die Partei antreten wollen. Dabei wurde Favorit Joe Biden scharf attackiert.
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Gefängnisse

Da war Cory Booker, der eloquente Senator aus New Jersey, der den 76-Jährigen daran erinnerte, was harte Paragrafen zur Verbrechensbekämpfung, die er federführend im Parlament einbrachte, in der Praxis bewirkten. Seit den Siebzigern trage jedes Kriminalitätsgesetz den Namen Biden, zitiert er den Politiker, der 1972 erstmals in den US-Senat gewählt wurde, wo er den Zwergstaat Delaware 36 Jahre lang vertrat.

Trump schaute selbstverständlich zu und war wenig überraschend nicht sonderlich angetan von seinen potentiellen Rivalinnen und Rivalen.

Biden, so Booker, trage eine Mitverantwortung, wenn in den USA ein so großer Teil der Bevölkerung in Gefängnissen einsitze, wie es in keinem anderen westlichen Land auch nur annähernd der Fall sei. Und wenn der Anteil von Afroamerikanern, oft mit drakonischer Härte für den Besitz von Drogen bestraft, überproportional hoch sei. "Noch immer sitzen Leute wegen Drogenvergehen hinter Gittern, weil Sie sich dieser harten, hohlen Rhetorik bedienten." Der Mann habe das Haus mit in Brand gesteckt, "da werden Sie einen Plan vorlegen müssen, wie man das Feuer austritt".

Einwanderung und Rassismus

Da war Bill de Blasio, der Biden fragte, ob er als Vizepräsident versucht habe, die Deportation illegal Eingewanderter zu stoppen, wie sie bereits unter Barack Obama in großem Stil betrieben wurde. "Sie müssen in der Lage sein, Antworten auf unbequeme Fragen zu geben", stichelte der Bürgermeister New Yorks.

Biden wich aus und betonte, er sei damals Vizepräsident gewesen, nicht Präsident. Seine damaligen Ratschläge behalte er für sich. Zugleich verteidigte er Obamas Migrationspolitik insgesamt und versicherte, unter ihm würde es keine Massenabschiebungen geben. Auch attackierte er Julián Castro und sagte, dieser habe damals in der Regierung keine Einwände zu dem Thema vorgebracht.

Biden wandte sich auch gegen Forderungen von Parteifreunden, einen illegalen Grenzübertritt in die USA zu entkriminalisieren. "Wer illegal einreist, muss ausgewiesen werden können. Das ist eine Straftat." Biden zeigte damit eine harte Haltung beim Thema Migration, mit dem Trump bei den Wählern punkten will.

Harris warf Biden vor, mit seinem Konzept für die Krankenversicherung Millionen Amerikaner zu vernachlässigen. Biden wiederum kritisierte Harris' Vorschläge für eine Reform des Gesundheitssystems. Mit "doppelzüngigen" Vorschlägen werde Harris Trump bei der Präsidentschaftswahl 2020 nicht besiegen können. Noch vor der Debatte hatte sich der der Ex-Vizepräsident in einem ungewöhnlichen Schritt an die Senatorin gewandt, schüttelte ihre Hand und sagte: "Sei nicht zu hart zu mir, Kind."
NBC News

Da war schließlich Kamala Harris, die Biden vorwarf, zu Beginn seiner Karriere allzu bereitwillig mit Senatoren zusammengearbeitet zu haben, die ein Leben lang die Rassentrennung im amerikanischen Süden verteidigten. Hätten sich diese Leute durchgesetzt, säße sie, die Tochter einer Krebsforscherin aus Indien und eines Ökonomieprofessors aus Jamaika, heute nicht im Senat, so wie auch Booker, ein Afroamerikaner, der Kammer nicht angehören würde. "Und Barack Obama wäre nie in die Lage gekommen, Sie für das Amt zu nominieren, dessen Titel Sie heute tragen."

"Ich glaube nicht, dass Sie ein Rassist sind", begann sie ihren Angriff, dennoch sei sie persönlich enttäuscht und verletzt über die Art, wie er mit den Senatoren gearbeitet und gesprochen habe. Biden wehrte sich gegen die Vorwürfe und lobte vor allem die enge Zusammenarbeit mit seinem ehemaligen Präsidenten Obama und deren Kampf für Gleichberechtigung.

Stopp im Abwärtstrend

Diesmal lässt Biden mehr Geistesgegenwart erkennen, als es noch im Juni in Miami der Fall gewesen war. De Blasio etwa lässt er lächelnd wissen, er habe gar nicht gewusst, dass dieser ihm so viel Aufmerksamkeit schenke. Einen sich abzeichnenden Abwärtstrend in den Umfragen könnte er fürs Erste gestoppt haben, was allerdings nichts an seiner Achillesferse ändert: In einer nach links gerückten Partei bietet der Altgediente, der schon in Washington Politik gemacht hat, als Obama noch zur Schule ging, mit seinen früheren Positionen viele, womöglich zu viele, Angriffsflächen. Biden führt die Umfragen für die Vorwahlen der Demokraten mit deutlichem Abstand an. Er liegt bei rund 32 Prozent – und hat damit doppelt so gute Werte wie die zweitplatzierten Senatoren Bernie Sanders und Elizabeth Warren.

Aber auch Harris, klare Siegerin der ersten Fernsehdebatte und seitdem im Aufwind segelnd, hatte diesmal einen deutlich schwereren Stand. Auch die aufstrebende Senatorin musste sich heftiger Angriffe erwehren, was ihr nicht immer überzeugend gelang. Tulsi Gabbard etwa, Kongressabgeordnete aus Hawaii, kreidet ihr an, als Justizministerin Kaliforniens übertriebene Härte an den Tag gelegt zu haben. Harris, nennt Gabbard ein Beispiel, habe Beweise unterdrückt, die einen unschuldigen Mann aus der Todeszelle befreit hätten, bis ein Gericht sie zur Kehrtwende zwang. Sie habe über 1.500 Menschen wegen Marihuana-Konsums ins Gefängnis gebracht – und später nur gelacht, als sie gefragt wurde, ob sie selber jemals Marihuana geraucht habe.

Zwei Abende

Mehr als 20 Demokraten bewerben sich um die Nominierung für die Kandidatur zur US-Präsidentschaftswahl im November 2020, so viele wie nie zuvor in der Geschichte der Partei. Auch deshalb wurde die zweite Runde der Debatten auf zwei Abende aufgeteilt – mit je zehn Bewerbern –, nicht alle stellen sich den TV-Duellen. In der Nacht auf Mittwoch hatten bereits die ersten zehn Anwärterinnen und Anwärter in Detroit miteinander diskutiert.

Die Vorwahlen der Demokraten beginnen Anfang Februar 2020 mit einer Abstimmung im Bundesstaat Iowa. Die Oppositionspartei hofft, Präsident Trump bei der Präsidentschaftswahl im November 2020 aus dem Weißen Haus drängen zu können. (Frank Herrmann aus Washington, red, 1.8.2019)